Rosalia, unser Handtaschen-Hund, San Rosalía, Baja California Sur

Wie kommt man zu einem Hund? In Mexiko geht das sehr einfach!  Denn es gibt Millionen von Straßenhunden wie Rosalia. Es gibt sie in allen Farben und Größen. Sie kommen an den unsren Bus und hoffen auf die Reste vom Essen. Wir und viele andere Touristen füttern sie mit Hundefutter. Das spricht sich natürlich unter den Hunden herum. Aus einem werden zwei oder drei. Alle suchen ein neues Zuhause und einen Schutz in der rauen Welt der heimatlosen Tiere. Manche betteln förmlich darum adoptiert zu werden. Wer denkt, das ist reine Interpretation, irrt sich. 

Bitte adoptiert mich!

Manchmal, wenn wir länger an einem Ort sind, geben wir den Hunden Namen. „Marisela“ in Tlaxcala wich uns nicht mehr  von der Seite. Sie wartete geduldig vor dem Toilettenhäuschen oder dem Schwimmbad und ging mit uns spazieren. Sie zurückzulassen, brach mir fast das Herz.

Die kleine Stadt San Carlos auf der Baja California erlebten wir als Hochburg der herrenlosen Hunde. Auf dem Marktplatz befreiten wir eine Hündin von einem Strich um den Hals. Sie zog das lose Ende wie eine Schnur hinter sich her. Vermutlich hat sie jemand irgendwo angeboten und zurückgelassen. In ihrer Not biss sie das Seil durch. Als wir sie befreiten, zeigte sie sich überglücklich. Sie schleckte Berni glücklich ab und verfolgte uns bis zum Bus. Wir mussten auch sie zurücklassen.

Oder der schwarze Hund, der fast am verdursten war. Ich könnte etliche aufzählen. Manchmal träume ich von ihnen.

Thema Flugzeug

Alle diese namenlosen Hunde waren für uns entweder zu groß oder zu schwer. Wir möchten keinem Hund die Flugreisen im Frachtraum eines Flugzeuges zu muten. Mit in die Kabine dürfen nur Hunde unter acht Kilo. 

Hunde unter acht KIlo

Und dann trafen wir Jeanne. Sie reist allein mit ihrem adoptierten Hund Dulce durch Mexiko. Dulce wiegt etwa sechs Kilo.  Die Größe ist perfekt, sagt sie. Berni vertraute mir später an, dass das, das erste Mal war, dass er über eine Alternative nachdachte.

Ausgesetzte Zwerge

Ein paar Tage später trafen wir Malíes auf dem RV Platz in San Lucas. Marlies ist Deutsche, sie kam aber schon als Jugendliche nach Kanada. Marlies und ihr Mann überwintern jedes Jahr in San Lukas auf der Baja California. Inzwischen haben sie drei Hunde. Der jüngste Spross ist ein drei Monate alter Chihuahua. Sie fanden ihn und seine drei Geschwister im einen Gebüsch nicht weit vom RV Platz. Es war nicht das erste Mal. Aber diesmal hatten sie Glück. Sie konnten die Welpen an Landsleute vermitteln.  Die Welpen zuvor brachten sie ins Tierheim. Das sei schlimm gewesen, berichtet sie. Sie hätte geweint, als sie zum Strand zurückfuhren.

Eine Handvoll Hund

„Wenn ihr vor sechs Wochen hier gewesen wärt, hättet ihr „Rosa“ bekommen.“, sagt sie. Aber inzwischen kann sie sich nicht mehr von dem Winzling trennen. Und tatsächlich wären Berni und ich  dem Charme dieser Handvoll Hund erlegen. Auch, wenn ich mich früher über diese Spielzeughunde lustig machte.
„Wir können morgen bei dem Tierheim vorbeischauen.“, schlägt Berni vor. Ich glaube mich verhört zu haben! „Wirklich?“, frage ich ungläubig und schlafe die ganze Nacht nicht mehr. Bin ich dem wirklich gewachsen? „Aber der Hund muss unter 8 Kiko wiegen …“, beharrt Berni. 

Das örtliche Tierheim

Das örtliche Cresca (Tierheim) befindet sich etwas außerhalb von San Rosalía. Keine 10 Kilometer vom RV-Platz entfernt. Eine unbefestigte Straße schlängelt sich durch ein heruntergekommenes und vermülltes Viertel. Es ist Sonntag Vormittag. Eine Mexikanerin lässt uns hinein. Das Gebell ist ohrenbetäubend. Ich schätze, dass sich zwischen 100 und 120 Hunde in verschiedenen Gehegen befinden. Sie alle kleben förmlichem am Maschendrahtzaun, wedeln mit dem Schwanz und bellen. Ich bin mir sicher, sie wissen, um was es geht.  Denn sie drängeln und schubsen sich nach vorne. Manch einer vollbringt Kunststücke und zwei Hunde hüpfen am Zaun hoch wie Kangaroos. Ich bin völlig reizüberflutet.  Die Leiterin zeigt uns kleine Welpen. Ich schmelze dahin, aber auch sie werden zu groß werden. 

Rosalía

Hunde der Gewichtsklasse unter 8 Kilo gibt es nur wenige.  Berni zeigt auf einen hellbraunen Winzling. Der Hund hat dünne Beinchen und Ohren wie eine Fledermaus. Das ist der Einzige, meint er. Der? Die Mexikanerin holt ihn aus seinem Gehege.  Mit mir ist inzwischen nichts mehr anzufangen, ich bin fertig mit meinen Nerven und meinen Gefühlen. „Wenn du meinst …“, hauche ich. Der Hund sei zwischen 1-2 Jahre alt, versichert die Leiterin.  Keine halbe Stunde später verlassen wir mit einem zitternden Hund das Tierheim. Morgen sollen wir zum Tierarzt in San Rosalía gehen, er wird die Dokumente fertigstellen.

Als erstes ein Bad

Wir fahren zum RV-Platz zurück. Wir brauchen die Hilfe von Marlies: Unser Hund benötigten Bad. Dreck klebt an seinem Gesicht – Flöhe kann ich allerdings nicht erkennen. Wir werden von der amerikanisch-kanadischen Community herzlich empfangen. Alle freuen sich mit uns.  Marlies setzt warmes Wasser auf und richtet Waschlappen und Handtuch. Die Hündin ist so verängstigt, dass sie alles über sich ergehen lässt. Am Abend klopft es an die Bustür. Ein Kanadier bringt uns eine kleine Hundedecke für Rosalia. Das ist super nett.

Die erste Nacht

Die Nacht verlief ruhig. Berni kaufte Rosalia auf dem Nachhauseweg ein kleine Körbchen und der Hund schlief ohne Probleme die Nacht durch. Am Morgen bemerken wir, dass sie nicht gewohnt ist, an der Leine zu gehen. Aber sie hängt förmlich an unseren Fersen. Wir können sie frei laufen lassen. Sie hat sofort verstanden, dass sie nun zu uns gehört, auch wenn sie immer noch zittert.

Die nackte Wahrheit

Unser erste Weg führt uns zum Tierarzt. Wir haben viele Fragen und er kann uns alle beantworten, denn er kennt den Hund ganz genau. Er hat sie die letzten Wochen behandelt. Als sie ins Tierheim kam war sie in einem furchtbaren Zustand. Der gesamte Hund sei voll von Ekzemen und Entzündungen gewesen. Vor allem im Maul. Das sind die Folgen der schlechten Ernährung, meint er und zuckt mit den Achseln. Sie mussten ihr fast alle Zähne ziehen. Die vier Eckzähne sind ihr geblieben. Bei dieser Aktion hat er sie auch sterilisiert. Rosalia ist zwischen 6 und 8 Jahre alt. In meinem Kopf dreht sich alles. Entsetzt schaue ich Berni an! Oh mein Gott! Bevor ich aussprechen kann, was ich denke, sagt Berni: „So ist es jetzt! Dann hat sie ab heute ein gutes Leben. Junge gesunde Hunde kann jeder adoptieren… .“ Ich drücke seine Hand und kämpfe mit den Tränen. 

Unsere neue Begleiterin

Rosalia ist ein ruhiger und dankbarer Hund. Sie möchte alles richtig machen, das sieht man ihr an. Berni und mich lässt sie keine Sekunde aus den Augen. Sie versteht sich mit Kindern und anderen Hunden. Und sie ist mutig. Auf einer Wanderung trafen wir zwei Rodesian Ridgeback Hunde. Sie waren mindestens 70 cm hoch. Unser kleiner Zwerg stellte sich mutig zwischen sie und uns!

British Airways

Gestern überprüften wir die Reisebestimmungen für Haustiere in der Kabine bei British Airways. Wir müssen uns noch um eine geeignete Transporttasche kümmern. Berni konnte seinen Augen fast nicht trauen: British Airways lässt keine Haustiere in der Kabine zu! Da steht es schwarz auf weiß! Es ist die einzige Airline, die keine Tiere unter 8 Kilo als zusätzliches Handgebäck zulässt. Ich kann es nicht fassen! Aber Berni wäre nicht Berni, wenn er nicht einen Ausweg sähe: „Dann müssen wir eben umbuchen!“. Und noch am selben Abend schreibt er eine Email an unser deutsches Reisebüro.