Berni und ich stehen vor einem bemalten Felsüberhang im Gebirgszug von Valle de los Cirios und staunen. Schon der Ausblick von unserem Standpunkt hinab ins Kakteenbestückte Tal ist atemberaubend, aber was wir in der Carmens Cave sehen übersteigt unsere Erwartungen.
Die ersten Menschen auf der Baja California
Die ersten Menschen auf der Baja California bevorzugten ein Leben unter freiem Himmel, unter Felsüberhängen oder zwischen Felsen. Höhlen schienen ihnen suspekt. Vielleicht fürchteten sie die unvermeidliche Sackgasse bei drohender Gefahr? Die Höhlen wurden allerdings sehr gerne für rituelle Zwecke verwendet. Allein in den Höhlen von San Francisco, gleich nebenan, sind über 250 Felsenmalereien gefunden worden. Sie sind etwa 7500 Jahre alt.
Valle de Cirios
Die Anfahrt zur Carmens Cave ist mühsam. Vom Highway 1 führt eine unbefestigte und kerzengerade Straße etwa 60 Kilometer Richtung Berge durch eine trockene Wüstenlandschaft. Der staubige Fahrweg ist gerillt und voller Schlaglöcher. Berni, Rosalia und ich sind gleichermaßen durchgeschüttelt. An Unterhaltung ist nicht zu denken, der Fahrlärm ist ohrenbetäubend. Je näher wir dem Valle de Cirios kommen, desto schlechter wird die Straße und um so interessanter wird die Vegetation. Riesige Säulenkakteen, Yucas, blühende Büsche und Blumen säumen den Weg. Alle samt mit Dornen bestückt. Berni ist begeistert. Er liebt diese Landschaft. Nach zwei Stunden parken wir auf einem kleinen Parkplatz und machen uns gleich auf den Weg.
Ein kurzer und steiler Anstieg
Die Camens Cave ist frei zugänglich. Das heißt, es muss kein Eintritt bezahlt werden. Es entfallen damit aber auch sämtliche Serviceleistungen. So gibt es keinerlei Beschilderung weder für den Abzweig von der Straße noch auf den Fußweg. Dank unserer iOverlander App finden wir beides ohne Probleme. Ich gebe es zu, dass ich äußerst misstrauisch bin. Frei nach dem Motto: Wenn man nichts dafür bezahlt, kann es nichts sein. Denn der Eintritt in die benachbarten Höhlen San Francisco und die Cave del Ratón sind mit erheblichen Kosten verbunden. Um so verwunderter bin ich über den gepflegten Zustand des kurzen aber steilen Fußpfades. Links und rechts sieht es aus wie in einem botanischen Garten. Er führt über einige Felsen hinauf zu einem Felsüberhang.
Carmens Cave
Ich kann auf einen Blick mindestens 8 riesige Figuren, einen Hirsch, einen Widder und einen Fisch erkennen. Sie sind in roter und schwarzer Farbe gemalt. Die mineralischen Pigmente fand man in einer Schlucht des Vulkans Tres Virgenes, das Erz könnte von Minen aus San Rosalia stammen. Ähnliche Zeichnungen sahen wir bereits in den USA. Zum Beispiel im Seminole Canyon oder im Petroglypen Field. Diese hier sind allerdings gut 3 Meter hoch! Mir fällt sofort auf, dass die Figuren 6 Finger besitzen! Sie scheinen Kapuzen über den Köpfen zu tragen, denn es gibt keine Andeutung eines Halses. Eine Abbildung weicht davon ab: Dieser Kandidat trägt eine „Mütze“ mit kleinen Ohren! Für die Tierdarstellungen wurde geschickt Unebenheiten des Felsen ausgenutzt.
Als die spanischen Missionare vor 300 Jahren in dieses Gebiet kamen, erzählte ihnen die indigene Bevölkerung, dass die Zeichnungen von einer Menschenrasse der Riesen gefertigt wurden, da die Zeichnungen vom Höhlenboden nicht erreichbar sind. Die Riesen. Wie oft sind wir ihnen schon begegnet? Teotihuacán wurde laut den Azteken von Riesen erbaut. Bald fange ich an, daran zu glauben … !
Alles hat seinen Preis
Die Felsenmalereien sind faszinierend und der Blick ins Tal erhaben. Unter all den Säulenkakteen leuchtet gelb unser Postbus. Es friedlich und still. Wir bleiben heute Nacht hier. Und Morgenfrüh klettern wir noch einmal hinauf. Zu den Schamanen, Zauberern und Riesen. Und dann lassen wir uns wieder durchschütteln, um auf den Highway zu gelangen.
Der Preis für das Erlebte wird ein platter Reifen und eine gesprungene Windschutzscheibe sein, aber das wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht!