Bully trifft Bully, Balneario Aguateca Nacimiento, Guatemala

Unser Hund Rosalia knurrt vom Fahrerfenster des Postbullys aus einen Hund an. Von der Beifahrerseite aus kann ich ihn nicht sehen. Aber ich muss grinsen, denn von der erhöhten Position aus und auf Bernis Schoß turnend, ist das keine Kunst für unseren zahnlosen Hund! Wir stehen an der Einfahrt zu dem Balneario Aguateca Nacimiento. Das bedeutet Quelle des Rio Aguateca. Es ist eine Badeanstalt nicht weit der Archäologischen Stätte Aguateca, die auch Camping anbietet.

Balneario Aguateca Nacimiento 

Ich steige aus dem Auto, denn eine ältere Frau winkt uns zu sich. Die Besitzerin ist siebzig Jahre alt und heißt Ada. Und dann sehe ich auch, wen unser Zwerg so mutig anknurrte. Hinter unserem Auto erscheint ein Koloss von Hund. Es ist ein riesiger dreifarbiger Bullterrier der Marke XL. Gewichtsklasse Maxi. Jetzt halte ich unseren Zwerg für übermutig, ich würde mich mit dem Riesen vorsichtshalber gut stellen. Auch, wenn er momentan freundlich mit dem Schwanz wedelt.

Ada zeigt uns das Gelände, und wir beschließen zu bleiben. Später werden wir uns ein Bad im glasklaren Rio Aguateca gönnen, aber zuerst richten wir uns auf dem Platz gemütlich ein. 

Der häßlichste Hund der Welt

Wir sitzen bei einer Tasse Kaffee, da erblicke ich den häßlichsten Hund der Welt! Ich mag Hunde, und es ist mir egal, ob sie groß oder klein sind, welche Fellfarbe sie haben oder welcher Rasse sie angehören. Ehrlich!  Es gibt keine häßlichen Tiere. Oder doch? „Berni, da ist der häßlichste Hund der Welt!“, sage ich zu meinem Ehemann und zeige nach draußen. Vor uns steht ein weißer Bullterrier, ebenfalls der Marke XL. Aber was heißt weiß? Rosa Haut schimmert unter dem schütteren Haar hervor. Die winzigen Augen wirken, als ob man sie vergessen hätte und nachträglich zwei Löcher in das Fell gestanzt hätte. Die Nase ist gebogen und viel zu lang. Die Ohren sind zu kurz. Der Hals liegt in Falten wie ein Faltenrock. Der Hund hat Babys, da bin ich mir sicher, weil seine Zitzen irgendwie zu lang und deformiert sind. „Sieht aus wie ein Schwein … und riecht auch dementsprechend.“, antwortet Berni. Miss Piggy, so nenne ich den Hund, wedelt mit dem Schwanz, und himmelt Berni an.

Liebe auf den ersten Blick

Es ist Liebe auf den ersten Blick: Miss Piggy findet meinen Mann toll. Sie folgt Berni wie ein Schatten und gibt unserem Hund zu verstehen, dass dieser Platz nun besetzt ist. Die Größe und Dominanz ist entscheidend. An Selbstbewusstsein mangelt es der Dame offenbar nicht. 

Der Salto mortale

Die beiden Hunde mögen sich nicht, soviel steht fest. Miss Piggy scheint dominant, aber nicht aggressiv zu sein, daher müssen die Hunde sich irgendwie miteinander arrangieren. Sie werden schon eine Lösung finden, finden wir und genießen ein Bad an der Quelle des Rio Aguareca. Das Wasser entspringt einer Höhle und ist kristallklar.

Unser Hund Rosalia ist wasserscheu. Sie beobachtet unser Treiben vom schmalen Pfad aus, der zum Wasser führt. Miss Peggy wartet am anderen Ende des Pfades auf uns. Niemand kann genau sagen, was in der Zwischenzeit passierte. Ich höre unseren Hund kurz bellen und gleich darauf fliegt er durch die Luft mitten in das Wasser des Rio Aguateca. Ein gekonnter Salto mortale! Ich kann meinen Augen fast nicht trauen. Miss Peggy lächelt Berni glückselig an, der sofort zur Rettung herbeieilt. Taktik? Die nasse Rosalia jedenfalls fühlt sich in meinen Armen deutlich wohler als auf der Erde bei der Konkurrenz und drückt mächtig auf die Mitleidsdrüse. Ein Mitarbeiter eilt herbei. Er zieht Miss Piggy von uns fort. 

Bully trifft Bully

„Jetzt ist Ruhe. Bestimmt wird sie nun eingesperrt, bis wir wieder abreisen.“, muntere ich Rosalia auf. Von wegen. Während unseres  Abendessens schiebt der häßlichste Hund der Welt seinen Kopf durch die angelehnte Heckklappe. Draußen ist es bereits dunkel. Mir scheint, er grinst. Es sieht gruselig aus. Berni hechtet um den Postbus und schließt die Klappe. Miss Piggy versteht, dass das nicht der richtige Eingang ist und versucht es nun durch die Schiebetür. Dabei gibt sie winselnde Geräusche von sich. Auch diese Tür verschließt sich vor ihren Augen. Wir sitzen bei tropischen Temperaturen in einem geschlossenen VW-Bully, weil ein verliebter jaulender Bully davor sitzt!

Ada Duche

Die Besitzerin Ada Duche kommt uns besuchen, um uns zu einer Limonade einladen. Ich zeige auf Miss Piggy. „Bullterrier sind so freundliche und noble Hunde!“, meint sie. Sie ist eindeutig in die Rasse verliebt. Beide Bullys gehören ihr. Sie sind sechs und sieben Jahre alt. Miss Piggy heißt in Wirklichkeit Blanca (die Weiße) und hat derzeit keine Welpen. Ada erzählt uns außerdem, dass ihr Mann schon vor 18 Jahren gestorben ist. Ihre zwei Töchter und Zitat: die drei Barones leben in Guatemala City. Inzwischen hat sie 15 Enkelkinder. Wir fuhren eine unbefestigte Straße durch unbesiedeltes Land. Ich frage sie, ob sie ein Auto hat? „Nein, mein Mann hatte eines, ich fahre mit dem TucTuc.“. Der nächste kleine Ort ist sieben Kilometer entfernt.

Ein wenig Gesellschaft 

Ein guatemaltekisches Mädchen hilft ihr bei der Arbeit und ein Mitarbeiter kümmert sich um das Bad. Sie ist nicht allein, aber ich habe den Eindruck, dass sie sich über Gesellschaft freut. Stolz zeigt sie auf die Lampe über unserem Kopf. Ada nutzt Solarenergie. Außerdem besitzt sie eine Waschmaschine. Es ist in ihrem Alter zu anstrengend die Wäsche am Fluss zu waschen, meint sie. Ada strotzt vor Energie und Gesundheit. Sie zeigt uns noch ein paar Fotos und wir erkundigen nach einem Dschungelpfad, der zu der Ruine Aguateca führt. „Nein, da braucht ihr keinen Guide!“, meint sie, „Das ist viel zu teuer! Nur um geradeaus zu laufen!“. Das hört sich gut an. 

Wir verlassen ihr Haus gefolgt von Miss Piggy alias Blanca. Sie wird die ganze Nacht vor unserer Tür schlafen. Friedlich schnarchend. Während wir im Postbus schwitzen und nicht schlafen können. „Weißt du was?“, frage ich Berni, „Es gibt Hunde, die sind so hässlich, dass sie schon fast wieder schön sind… .“