Tarahumara zu Gast im Postbus, Copper Canyon

Wir haben ungewöhnlichen Besuch. In unserem Postbus sitzen drei Tarahumara Mädchen und bestaunen Fotos von meinem IPad. „Nee …!“ rufen sie im Chor, als ich Bilder von Deutschland zeige. 

Sierra Tarahumara 

Die Tarahumaras sind eine indigene Bevölkerungsgruppe, die im Südwesten des Bundesstaates Chihuahua in der Sierra Madre Occidental leben. Ihr Stammesgebiete umfasst etwa 50.000 km² und liegt zwischen 1500 und 2500 m über Meeresspiegel. In diesem Gebiet ist sie die größte indigene Bevölkerunggruppe, weshalb das Gebiet auch Sierra Tarahumara genannt wird. Als die Spanier im Copper Canyon Silberminen entdeckten, zwangen sie die Tarahumara in den Minen zu arbeiten. Der Stamm flüchtete daraufhin in die versteckten Täler der Canyons. Es folgten die erbitterte Kämpfe und blutige Aufstände gegen die Minenbesitzer. Sie waren im Kämpfen geübt. Denn auch die Apachen setzten den Tarahumara zu. Es heißt, die Tarahumara seien durch ihren Mut und ihre Geländegängigkeit noch nie besiegt worden.

Die besten Langstreckenläufer der Welt

Sie nennen sich untereinander „ralámuli“, das bedeutet,: „Die mit den leichten Füßen.“ Früher, so wird es überliefert, verfolgten sie ihre Beutetiere so lange, bis diese erschöpft zusammenbrachen. Laufen nimmt in ihrer Kultur einen hohen Stellenwert ein. Nicht umsonst gehören sie zu den besten Langstreckenläufern der Welt. Es gibt Wettrennen, in denen die Läufer barfuß oder in einfachen Sandalen 170 km laufen – ohne anzuhalten! 

Teilen, zusammenarbeiten und gegenseitig helfen

Wir besuchen das Tarahumara Museum in Greel. „Von früher Jugend an, lernen wir Kaíma, das ist ein tief verwurzelter Wert in unserem Leben. Es basiert auf teilen, zusammenarbeiten und gegenseitigem helfen in der Familie und mit Freunden.“, lesen wir an einer Schautafel. Das klingt gut! 
„Wenn wir singen und tanzen, geben wir der Welt Kraft, erfreuen Gott und befreien die Seelen.“.  Die Tarahumara glauben, dass die Seele eines Verstorbenen in den Himmel aufsteigt. Er wird zu einem Stern am Firmament. Gelingt der Vorgang nicht, so wird der Tote als Tier wieder geboren. 

Die Seelen in der Tarahumara Kultur

„Als Gott die Welt erschuf, erschuf er auch den Menschen. Die Tarahumara wurden aus Lehm gemacht. Wir waren Figuren ohne Bewegung, bis er uns seinen Geist einhauchte und uns erfüllte, mit der Kraft zu leben und für das Gleichgewicht der Welt zu sorgen.“ In ihrer Weltvorstellung hat alles, was existiert, eine oder mehrere Seelen. Männer besitzen drei Seelen, Frauen vier (wegen ihrer Bedeutung als Mutter), Pflanzen und Tiere zwei. „Ausländer haben nur eine Seele. Deshalb verhalten sie uns gegenüber seltsam.“, lese ich. Ach, so ist das!
Nun, sie haben ihre Gründe. Denn ab 1607 versuchten Jesuiten und Franziskaner die Tarahumara zu bekehren. Erstere versuchten sie mit Gewalt von ihrem Glauben abzubringen. Es ist ihnen nur teilweise gelungen. Heute sind die Tarahumara Christen, die ihre eigene Kultur geschickt miteinpflegen. 

Das Leben in den Bergen

Früher lebten die Tarahumara im Sommer in der Höhe. Dort verdienten sie sich im Tausch, Arbeitskraft gegen Lebensmittel, ihr Überleben. Im Winter zogen sie sich in die wärmeren Tiefen der Canyons zurück. Wir können das gut nachvollziehen, denn wir haben auf knapp 2500 Höhenmetern gerade einmal 10-12 Grad, während es an der Küste bereits 30 Grad hat! in den tieferen Lagen betrieben sie ein wenig Viehhaltung und Ackerbau. Heute verdienen sie Geld durch Aushilfsjobs in der Holzindustrie (Männer) oder Handarbeiten (Frauen). Ihre Körbe, Töpfe oder ihr Tischschmuck sind aus natürlichen Materialien gefertigt. Außerdem nähen sie per Hand ihre farbenfrohen Röcke und Blusen für die Touristen. Ich liebe diese Kleider. Es ist eine wahre Augenweide, die Mustermixe und Farbkombinationen zu bestaunen.


Die Frauen sind mit ihren Ständen an jedem Highlight zahlreich vertreten. Mit dabei sind meist eine Schar Kinder. Diese Kinder finden unser neues Hündchen Rosalia ganz entzückend!

Neugierige Tarahumara Kinder

Berni und ich kommen ausgehungert von einer Wanderung, als vor unserem Postbus ein etwa zehn jähriges Mädchen auftaucht. In der Hand hält sie einen Korb mit geflochtenen Armbändern. Wir kauften heute schon etwas an einem Verkaufsstand und so winken wir entschuldigend ab. Die Kleine fragt daraufhin nach einem Glas Wasser. Damit kann ich dienen. Nebenbei erkläre ich ihr unseren Bus, da sie sehr neugierig hineinblinzelt.  Zum Abschied schenkt sie mir ein Armbändchen. Das ist nett!
Ich widme mich wieder unserem Essen. Da es schnell gehen muss, möchte ich Tacos anbraten. Ich will sie mit selbst-gemachter Linsenpaste und Tomaten belegen. Da taucht unsere kleine Tarahumara mit zwei Freundinnen auf.

Die beiden Neuankömmlinge sind mindestens genauso neugierig wie ihre Freundin zuvor. Fünf Tacos sind noch in der Packung … was soll‘s! Ich lade sie zum Essen ein. Ehrfürchtig steigen sie in den Bus. Wir verständigen uns mit Gesten und einzelnen Worten. Sie sind aufgeregt, ihre Wangen glühen. Für die drei ist es „das“ Abenteuer. Sie bestaunen unser kleines Zuhause. Wir finden die Gesellschaft auch nett! 

Es spricht sich herum

Nachdem die drei uns verlassen, packen wir alles zusammen. Wir möchten noch eine Strecke weiterfahren. Da entdecke ich den Jungen. Er blinzelt hinter einem Baum hervor. Noch traut er sich nicht näher, aber die Neugierde steht auf seiner Stirn: Das ist also das Auto, von dem die Mädchen erzählten!