Was ist hier los?
Wir möchten den Wandertrail mit dem bezeichnenden Namen Mousse Hall (Moos Halle) im Olympic National Park laufen, aber schon nach wenigen Metern stoßen wir auf eine Mengenmenge. Ein Olympic Elk belagert den Weg. Ach so, nur das.
Berni möchte schon an ihm vorbei, da sieht er die Frau. Sie steht wie festgewurzelt mitten auf dem Weg und rührt sich nicht. Vermutlich hatte sie dieselbe Idee und ist dem Elk dabei zu -nah-. gekommen, da griff er an. Er ist deutlich größer, kräftiger und vorallem schneller als die zierliche Frau. Als Faustregel bei einer agressiven Begegnung gilt nicht davonlaufen. Sich sozusagen unsichtbar machen, indem man sich nicht bewegt. Leichter gesagt.
Ein Elk ist ein seltsames Tier: Vom Aussehen her ist er eine Mischung zwischen Antilope und Elch, von der Bewegung her eher ein Kamel und vom Gemüt ein Stier. Sie bilden nach Geschlechtern getrennte Herden. Kommt man ihnen zu nahe sehen sie schnell rot und greifen an. Überall hängen Warnschilder mit den Verhaltensregeln, die wir bisher für „amerikanisch übertrieben“ hielten …
Dieser Elk scheint ein Einzelgänger zu sein. Er hat das Interesse an der Frau vorübergehend verloren und beobachtet misstrauisch die Menschenmenge, die sich nun auch am gegenüberliegenden Ende des Weges gebildet hat. Die Amerikanerin wagt in Zeitlupe zwei Mini-Schritte zurück. Er sitzt in der Klemme, vor und hinter ihm Menschen, und löst das Problem damit, dass er zunächst lustlos ein paar frische Blättchen rupft. Weiter Mini-Schrittchen zurück. Sie hat es geschafft. Ein glücklicher Ehemann schließt sie in die Arme.
Unser Problem ist allerdings noch nicht gelöst. Wie kommen wir an dem Tier vorbei?
Olympic NP
Der Olympic NP liegt ganz im Nordwesten der USA im Bundesstaat Washington. Er wurde 1938 eingerichtet. Die komplette Halbinsel im äußersten Zipfel Nordamerikas ist entweder National Park, National Forest oder Country Park. Die Stadt Forks ist durch die Twilight Serie von Stephanie Meyer weltweit bekannt geworden. Wer die Bilder vom gleichnahmigen Film vor Augen hat, kann sich ein Bild von der Umgebung machen. Es hat sich seitdem nichts verändert…
Das riesige Gebiet besteht aus einem Küsten-, Wald und Gebirgsteil. Auf dem Mount Olympic (2400 m) liegt noch Schnee, die Region lassen wir aus, aber den Küstenteil überprüften wir gestern.
Coast
Das Treibholz ist das Erste, das uns ins Auge fällt. Abgeschliffene, runde und ausgebleichte Baumstämme und Wurzeln. Gestapelt und geschichtet. Die komplette Küste entlang. Das Holz fühlt sich glatt und weich an. Der Infotafel entnehmen wir, dass die Bäume nach einem Hochwasser oder Sturm in einen der vielen Flüsse fallen. Das Wasser rollt sie bis ins Meer. Ebbe und Flut, sowie die starke Brandung spielen solange mit den Stämmen, bis sie völlig abgeschiffen sind und irgendwann im höhergelegen Kies zur Ruhe kommen. Bis zur nächsten großen Sturm.
Forest
Die Moose und Flechten sind nicht zu übersehen. Sie bedecken alles hier im Regenwald. Wie Gespenster sehen die Bäume aus. Bäche mit kristallklarem Wasser gurgeln leise. Sie münden in den großen Flüssen, die ins Meer führen. Aus den umgefallenen Baumstämmen wächst neues Leben: Farne, Sumpfpflanzen und kleine Fichten. Stehen Bäume in einer Linie, wurzeln sie in der Regel auf oder in einem umgefallenen Baum, lernen wir. Das ist interessant. Ob es so etwas auch in unseren Wäldern gibt? Das Spiel des Lebens dreht sich hier schon seit 1000 Jahren, der Boden besteht praktisch nur aus losem Humus. Abseits der Wege sinkt man tief ein.
Olympic Elks
Ausser viel Natur gibt es hier eine vielfältige Fauna. Der Puma und Schwarzbär fühlen sich im Regenwald genauso heimisch wie die Bergziege, der Biber, Eichhörnchen, Rehe und Elks. Letztere können dem Wanderer das Leben schwer machen. Unser Elk erwägt auf dem Trail ein Mittagsschläfchen zu halten. Da kommt plötzlich Bewegung in der Menschenmenge auf. Ein Ranger schreitet zur Tat. Er ist mit einer Color Ball Gun bewaffnet und sieht sehr kompetent aus. Der Elk scheint das zu spüren und steht vorsichtshalber schon mal auf. Er klatscht in die Hände und fordert uns auf ebenfalls möglichst viel Krach zu machen, damit der Elk nicht in die Menschenmenge läuft – und siehe da: Das ist unserem Elk nun doch zuviel. Er sucht querbeet das Weite. Applaus für den Ranger.
Der Elk hat Glück gehabt. Hätte der Ranger ihn mit Farbe beschossen, wäre er für den Abschuss freigegeben worden. Agressive Wildtiere werden im Nebelwald nicht geduldet.