Das stille Örtchen

Es gibt etwas, das mich seit Monaten beschäftigt. Zugegen, es ist kein Thema über das man gerne spricht und schon gar nicht öffentlich. Aber ich muss es dennoch los werden. Es betrifft die stillen Örtchen oder amerikanisch: Restrooms. Denn es gibt sie überall.

Ich bin ehrlich: Bis ich zuhause in Deutschland, im Schwarzwald oder Pfälzer Wald, am Startpunkt meiner Wanderung angekommen bin, muss ich dringend … naja. Also husche ich noch schnell hinter ein Gebüsch… und da stelle ich fest, dass ich mit meinem Bedürfnis nicht allein bin. Tempotaschentücher über Tempotaschentücher. Im Nachbargebüsch sieht es nicht anders aus. Schön ist das nicht.

USA

Auf unserer Reise durch die USA – von der Ostküste, über den Süden, durch Texas, New Mexiko, Utah bis zu Westküste – finden wir überall kostenlose Restrooms. An den unzähligen Picknickplätzen, an Wandertrails, an Parkpätzen, in den Städten und sogar an Bootsrampen. Manchmal sind es Pit-Toiletten (in der Wilderness), aber sie sind immer in einem top Zustand: Sauber, mit Toilettenpapier und bei fließendem Wasser mit Seife. Immer. Die Häuschen sind nicht besprüht mit den Werken unbekannter Künstler. Also Summa summarum kein Vergleich zu vielen öffentlichen Toiletten an deutschen Autobahnen oder in den Großstädten. Das ist toll.

Schlangen, Alligatoren und Bären

Ich freue mich über diesen Service. Aber als Deutsche bin ich grundsätzlich grüblerisch veranlagt: Warum geht hier etwas, was bei uns nicht geht? Die Antwort liegt auf der Hand. In Amerika gibt es wilde Tiere, die in dem Gebüsch lauern könnten: zum Beispiel Schlangen, Alligatoren und Bären. Caution Alligators warnen allerorts die Schilder in Florida. Vielleicht sollte man in Deutschland ein paar …? Ich erinnere mich an die Hysterie, die eine Schnappschildkröte in einem badischen Bagersee ausgelöst hat und muss schmunzeln. Am 08.11.18 wurde eine Riesenpython mit einer Länge von 5,10 m in den Everglades gefangen. Das war genau der Zeitraum in dem wir ahnungslos mit Johnny durch die Mangroven gepaddelt sind… Ganz Amerika lebt mit Bären, Schlangen und Alligatoren quasi Tür an Tür. Unvorstellbar in Europa.
Das muss es sein. Oder doch nicht?

Kontrolle

Dass dieser Service bei den europäischen Wohnmobilfahrern gut ankommt, ist klar. Ein Amerikaner braucht die Sicherheit einer Wagenburg (= Campingplatz), die Europärer stellen sich irgendwo hin. Der Morison Spring Park ist so eine kleine Oase. Er beinhaltet eine öffentliche Schwimmanlage, einen Picknickplatz, einen Restroom und einen Parkplatz. Ein toller Übernachtungsplatz. Außer unserem Postbully steht noch der Bus eines junges Hippiepäärchen aus Canada auf dem Platz. Kaum bricht die Dunkelheit an, taucht ein Ranger auf. Er betrachtet eingehend unsere Fahrzeuge, hält uns wohl für harmlos und verlässt den Platz. Zufall? Wir schauen genauer hin. Berni entdeckt Nachtsicht- Überwachungskameras am Restroom. Sie sind nach vier Seiten ausgerichtet und haben den kompleten Platz im Blick.

Werden alle Restrooms und Plätze Video überwacht?! Das würde den guten Zustand erklären. Keine Schmierereien, kein Müll oder sonstiger Vandalismus. Wir schauen genau hin. Die Restrooms an sogenannten Brennpunkten scheinen tatsächlich allesamt überwacht zu sein. Aber das sind vielleicht 10%. Ich bin ratlos. Berni und ich gewöhnen uns schnell an den angenehmen Service. Und finden es irgendwann ganz normal

Canada

Seit ein paar Tagen sind wir in Vancouver Island. Viktoria, die größte Stadt auf der Insel (etwa 80 000 EW) macht einen gepflegten nordeuropäischen Eindruck. In den Vorgärten blühen Frühlingsblumen. Das Grün drumherum gleicht einem englischen Rasen. Doch das Erste, das uns bei einer Wanderung durch den Wald auffällt sind weiße Hinterlassenschaften. Willkommen im Land der Tempotaschentücher! Aber nicht nur das: Die großzügig bereitgestellten kostenlosen Pit-Toiletten an den Wandertrails sind komplett zugemüllt. Und weil da niemand mehr drauf kann, wird wohl vor die Tür gemacht?! Tonnenweise Tempotaschentücher ringsum. Wir sind entsetzt. 

Warum geht etwas in den USA, was anderorts nicht geht?  Wie gesagt, ich bin als Deutsche grundsätzlich grüblerisch veranlagt …