Niagara Falls

Wir sind auf der amerikanischen Seite der Niagara Wasserfälle. Es ist unter der Woche und der kleine Niagara State Park ist mäßig besucht. Über unseren Köpfen kreist ein Hubschrauber; für entsprechende Dollars kann man das Ganze aus der Luft betrachten. Meine zwei Männer stört das nicht: Berni findet ungeachtet des Lärmes einen Schopftintling (Pilz) und Johnny ist von den Eichhörnchen paralysiert. Auf dem Wasser fahren regelmäßig Touristenboote zu den Abrisskanten. Die Passagiere tragen wegen der Gischt rote Regenchapes. Das sieht lustig aus. Auf der Kanadischen Seite sieht man die Fahrstühle der Aussichtstürme hoch und runter fahren. Es dreht sich alles um die Wasserfälle. Der beste Blick. Klick klick machen die Fotoapparate. Oder man lächelt selbstverliebt in die Handys um seinen Lieben ein Selfie per WhatsApp zu senden …

Es bedarf sehr viel Phantasie sich die Niagara Fälle -ohne- Gebäude an beiden Ufern, -ohne- Brücken, -ohne- die gepflegten Wege, -ohne- Geländer und -ohne- die Menschen vorzustellen. So wie sie ursprünglich waren: Wild bewachsende Ufer und reißende Wassermassen, die sich auf einer Breite von fast einem Kilometer senkrecht in 57 m Tiefe stürzen. 

Maids of Mist

Noch unvorstellbarer ist es, sich freiwillig diese Wasserfälle hinunterzustürzen. Die Indianer schickten Maids of Mist, Jungfrauen der Gischt, in einem mit Blumen und Früchten bestückten Boot die Wasserfälle hinunter. Um den Donnergott Hinum gnädig zu stimmen. Ich nehme an, die Mädchen wurden zuvor mit Drogen (Pilze oder ähnliches) ruhiggestellt… Falls das Boot nicht schon an den mächtigen Walzen und Felsen zerschellte, war anschließend der Weg in die ewigen Jagdgründe gewiss. Einer Legende nach soll sich der Irokesenhäuptling Eagle Eyes mit über die Klippen gestürzt haben, als seine Tochter Lelawala auf diese Todesfahrt geschickt wurde. Sie liebten ihre Kinder wie wir unsere. 

Aber die Wassermassen verschlingen nicht jeden. 1960 überlebte der 7-jährige Roger Woodward, nachdem der Motor seines Boote ausgefallen war. Sein Freund allerdings wurde nie wieder gefunden. 

Himmelfahrtskommandos

Seit der weiße Mann von den Niagara Falls Besitz ergriff, gab es immer wieder Himmelfahrtskommandos. Sie waren besessen davon. Tod oder Leben. An Ideen mangelte es nicht. Man stürzte sich von einem Sprungbrett, schwamm, paddelte oder trieb in einem Holzfass. Freiwillig. Manche überlebten, viele nicht. Ich würde schon vorher sterben. An einem Herzinfarkt!

Das Tosen und Donnern erfüllt die Luft. Gischt wirbelt hoch. Regenbögen leuchten in der Sonne. Wir sind ergriffen von all der Schönheit. Auch im 21. Jahrhundert. Und begreifen: Es ist immer noch ein magischer Ort…