Mika und ihr deutsches Brot, El Cuyo, Yucatan

Wir lernen Mika in El Cuyo kennen. Sie geht mit ihrer Hundin Viva täglich morgens und abends am Strand spazieren. Mika ist Deutsche. Sie erzählt uns, dass sie heute Brot backen möchte – da geben wir sogleich eine Bestellung auf.

Mika

Mika heißt eigentlich Michaela und kommt ursprünglich aus Thüringen. Sie wuchs in der DDR auf. Wenn ihr Lehrer von fernen Ländern erzählte, wünschte sie sich, dass die Stunde niemals aufhört. Das alles wollte sie auch einmal sehen. Wenn sie groß war. Den ersten Urlaub im Ausland erlebte sie als junge Frau. Mit dem Motorrad fuhren ihr Mann und sie nach Bulgarien. Unterwegs lernten sie einen jungen Mann kennen, der spontan vorschlug mal eben kurz nach Wien zu fahren. Er kenne da ein nettes Café. Es ist nicht weit. Sie starrte ihn ungläubig an. Für ihre Reise hatten sie eine Genehmigung einholen müssen. Sie durften sich nur auf einer vorgegebenen Route bewegen und mussten sich etappenweise bei einer Polizeistelle melden. Außerdem gab es lediglich Tankgutscheine, die genau abgezählt waren. Spontanität war nicht möglich. 

Der Ruf in die weite Welt. 

„Er ist schon immer da gewesen.“, sagt Mika. Sie stellte etliche Anträge auf Urlaub im Westen. Sie wurden immer abgelehnt. Schließlich strebte sie einen Ausreiseantrag an. Ab diesem Zeitpunkt galt sie als Staatsfeind. Einmal, erzählt sie, sei sie mitten in der Nacht zu einem Verhör abgeholt worden. Ohne Angabe von Gründen. Als sie auf der Dienststelle eintraf, sassen schon ihre Freunde im Flur. Man hatte sie alle aus dem Schlaf gerissen. Es war so erniedrigend. Noch heute bekommt sie Gänsehaut. Schließlich wurde sie mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter 1985 nach Westdeutschland abgeschoben.

Sie hatten quasi nichts. 

Das Willkommensgeld ging für die Miete im Auffanglager drauf. So war das damals. Mika nahm den erstbesten Job als Bedienung im Restaurant an. Ihr Mann jobbte nachts in der Tankstelle. So war immer jemand für das Kind da. Ein Traumleben war es nicht, aber für Mika war die Arbeit nie Arbeit. Sie tat es gerne, weil sie Menschen kennenlernte. Erst mit 37 Jahren kam sie nach Mexiko. Inzwischen war sie geschieden und ihre Tochter erwachsen. Sie brauchte eine Auszeit.

Deutsches Brot in Mexiko

Mika strandete in Tulum, das damals noch ein Dorf war. Ein Freund fragte sie: Du bist doch Deutsche, kannst du mir ein deutsches Brot backen? Sie sagte zu. Obwohl sie bis dato noch nie selbst Brot gebacken hatte. Das Experiment gelang. Und Mika fing an Brot zu backen. Brot für die Restaurants, Cafés und auf Bestellung. Sie belieferte ganz Tulum. Aus Michaela wurde Mika, weil die Mexikaner mit der Aussprache ihres Namens Schwierigkeiten hatten. 

Das Restaurant Azafran

Mit ihrem damaligen Partner gründete sie 2005 das Restaurant Azafran. Es lag auf einem Grundstück, das Mika mit der Zeit in einen wunderschönen Garten verwandelte. Es lief von Anfang an sehr gut. Sie arbeiteten von früh bis spät. Sieben Tage die Woche. Die Beziehung ging in die Brüche. Aber sie blieben Geschäftspartner. 

Das MiKaSa

2019 wurde ihnen der Garten gekündigt. Eine neue Idee musste her: Sie verkleinerten sich auf einen Frühstücks- und Eiscaféwagen in dem Foodtruckpark Palma Central in Tulum. Sie nannten ihn MiKaSa by Azafran in Anlehnung an mi casa (Mein Haus). Mika engagiert sich zudem für die armen Kinder in Tulum. Der Park ist der ideale Ort. Sie organisiert zum Beispiel Spielzeug Basare. Stolz zeigt sie uns die Bilder. Kinder machen sie glücklich, sagt sie. Außerdem hat sie ein großes Herz für Tiere. Es gibt viele Straßenhunde in Mexiko. Am liebsten würde sie alle aufnehmen. Liebvoll streichelt sie Viva über den Kopf.

Deutsches Brot für El Cuyo

Inzwischen ist Mika 58 Jahre alt. Tulum hat sich vom Fischerdorf in einen Touristenort verwandelt. Die Preise, der Verkehr und die Kriminalität stiegen rasant an. Es ist laut und hektisch geworden. Immer häufiger und immer länger fährt Mika mit Viva nach El Cuyo um am Strand spazieren zu gehen. Und dann backt sie Brot. Ein Vollkornbrot mit Nüssen oder auf was sie gerade Lust hat. Sie beliefert die Restaurants vor Ort und nimmt Bestellungen entgegen. So wie damals vor 21 Jahren, als sie nach Tulum kam. Mika möchte hierbleiben. Mit ihrem Geschäftspartner ist sie sich schon einig. Aber Mika wäre nicht Mika, wenn sie nichts zu tun hätte. Sie strahlt uns an. Sie hat so viele Ideen. Aber sie möchte nichts überstürzen. Jeder Tag ist voller neuer Überraschungen.