Kein Problem ohne Lösung, Pozo El Cubo, Malacata, Guatemala

Nach dem Grenzübergang Mexiko/Guatemala suchen wir den nächstbesten Campingplatz auf: Pozo El Cubo im etwa 20 km entfernten Malacatan. Er liest sich in unserer iOverländer App sehr gut und wartet mit einem Naturschwimmbecken auf. Das trifft sich gut: Wir müssen unser Originalpapiere wieder einsortieren und den ganzen Ärger abspülen. Es ist schwül und warm. Wir sind schweißgebadet.

Polizeitheater

Die Üppigkeit der Vegetation fällt uns sofort ins Auge. Farne mit riesigen Blättern, Kletterpflanzen, Sumpfpflanzen und blühende Bäume – auf allen Stockwerken ist Leben. Die Straßen wirken noch schlechter als in Mexiko und das Straßenbild noch chaotischer. Kurz nach der Grenze werden wir von drei Polizisten angehalten und kontrolliert. Wir stehen ungünstig und der Postbus rollt ein wenig zurück. Der Polizist wird von unserem Außenspiegel touchiert. Sofort bricht ein filmreifes Theater aus. Sein Kollege muss den „schwer“ verletzten Polizisten stützen und in Sicherheit bringen. Polizist Nr. 3 nuschelt etwas von Schmerzensgeld. Berni steigt kurzerhand aus dem Auto und entschuldigt sich persönlich bei dem angeblich Verletzten. Vielleicht hat er ihn auch bei einem Grinsen erwischt. Wir schenken den Dreien noch eine Limonade und dürfen wider Erwarten fahren. Glück gehabt!

Es reicht uns!

Wir sind froh, den Campingplatz Pozo El Cubo ohne weitere Zwischenfälle zu erreichen. Unsere erste Tat ist ein Bad im Naturschwimmbecken. Irgendwo oberhalb des Flusses waschen Frauen ihre Wäsche am Flussufer, Schaumkronen schwimmen auf dem Wasser. Aber das macht uns nichts aus: Der ganze Ärger muss weichen! Und so ist es auch. Alexandro, der Besitzer, legte ein kleines Paradies an. Wir fühlen uns wohl.

Aller Anfang ist schwer

Am nächsten Tag besorgen wir uns eine neue SIM-Karte der Firma Claro für Guatemala, sowie weiteres Bargeld in Malacatan. Wir erwischen einen Markttag. Es herrscht ein unglaubliches Durcheinander – Berni würde am liebsten nach Mexiko zurückkehren.

Aber das ist noch nicht alles! Kurz darauf bemerkt Berni, dass unsere Gasflasche leer ist. Für meinen Kaffee reichte es noch, aber nun ist Schluss! Wir suchen den Gas-Shop im Nachbarstädtchen auf. „Bedauere“, sagt die Verkäuferin, „in Guatemala verwenden wir ein anderes System!“. Wie bitte? Guatemala wird uns so langsam unsympathisch. Wir kehren zum Platz zurück. Vielleicht kann uns dort geholfen werden.
Alexandro ist um die 40 Jahre alt. Er spricht sehr gut Englisch. Auf meine Frage, woher er so gut Englisch kann, erzählt er:

Alexandro

Er war mit drei und mit sieben Jahren mit seinen Eltern für längere Zeit in den USA. Kinder lernen in dem Alter am besten, meint er. Heute erinnert sich Alexandro an viele Wörter, er lernt durch seine Gäste auf dem Campingplatz viel dazu und zuletzt – macht Übung den Meister! Ich kann es fast nicht glauben, denn auch seine Grammatik ist nahezu perfekt! Seine Mutter starb, als er sieben Jahre alt war, berichtet er, sein Vater folgte ihr drei Jahre später. Seine Geschwister und er wurden von seiner Tante aufgenommen. Geld hatten sie keines. Daher hat Alexandro keinen Berufsabschluss. Ohne das Gehalt seiner Frau, sie ist Lehrerin, könnten sie nicht leben, meint er.

Pozo El Cubo

2005 kauften sie das Grundstück. Niemand wollte es haben, da die Erde für den Straßenbau abgetragen wurde. Die Nachbarn lachten über ihn. Alexandro schuf in Eigenarbeit daraus ein Paradies. Er grub einen Brunnen, sodass sie unabhängig vom Wasser sind. Dann baute er das Haus, legte anschließend den Garten und Campingplatz an. Er hat Freude am Gestalten, Erhalten und Verbessern. Sein Stück Land und er sind eins.

Heute hat sich der ursprüngliche Preis vervielfacht. Alexandro ist technisch hochbegabt, obwohl er keine Schule besucht hat. Wenn ich ihn so tüfteln sehe, frage ich mich, was alles aus ihm hätte werden können! 
Inzwischen hat das Paar zwei halberwachsene Kinder. Sein Sohn möchte gerne Medizin studieren. Aber das Geld reicht für das Studium nicht. 

Kein Problem ohne Lösung

Kaum auf dem Platz berichten wir ihm von unserem Problem. Im schlimmsten Fall müssten wir wieder über die Grenze nach Mexiko zurück, die Flasche auffüllen lassen und wieder nach Guatemala einreisen. Selbstredend möchte Berni das auf keinen Fall! Aber Alexandro rettet uns: Er findet tatsächlich eine guatemalische Gasauffüllstation direkt an der Grenze zu Mexiko, die unsere Flasche auffüllen kann. Vorsichtshalber fährt er mit uns dorthin. 
Alexandro ist von unserem Postbus begeistert. Der Dieselmotor ist Musik in seinen Ohren, seine Augen leuchten. Vom geöffneten Autofenster grüßt er Bekannte auf der Straße, die ihn allerdings nicht erkennen: Sie blicken alle zu den Kajaks auf unserem Autodach. Offenbar ist das eine Sensation. 

Wir sind so überglücklich über die gefüllte Gasflasche, dass wir ihn spontan zum Essen einladen. Seine Gegenwart ist uns eine Bereicherung, denn er ist ein Mensch, der in Harmonie mit sich selbst lebt. Trotz der widrigen Umstände in seinem Leben.

Dankbarkeit 

Bevor wir am nächsten Tag endgültig abreisen, schenkt ihm Berni seine Stirnlampe. Vor zwei Tagen hatte er ihm damit abends beim Reparieren seines alten Nissan-Lastwagens ausgeholfen. Alexandro schluckt, nimmt sie entgegen und blickt Berni an: „Diese Lampe wird mich viele Jahre begleiten… !“. Und das ist für uns ein wunderschönes Gefühl.