Gastfreundschaft, Garita Palmera, El Salvador

Claudia und Konstantin, unsere Zufallsbekanntschaft aus Österreich, retteten uns nicht nur das Leben. Sie zeigten uns auch, wie man preislich verhandelt. „In Südamerika musst du feilschen.“, sagt Konstantin, „die Preise sind unverschämt. Maßlos übertrieben.“. Wir erzählten ihm, dass der Besitzer eines Picknickplatzes zweihundert Quetzal (24€)/pp für ein einfaches Übernachten in unserem Postbus wollte. Berni regte sich entsprechend auf und lies den Mann stehen.

Handeln

„Du musst dir klar sein, was der Platz für dich wert ist.“, belehrt er uns, „ich würde meinen 50 Queztal? Etwas darunter fängst du an.“. Ich schaue ihn entsetzt an.:„Das kann ich nicht. Das ist unter einem Viertel des Preises. Das ist unverschämt!“. Konstantin grinst mich an: „Genauso unverschämt, wie sein Preis? Du erklärst ihm, dass er kaum Kosten hat. Dann wird er auf 150 gehen. Und du kannst auf 50 Queztal erhöhen. Sei freundlich und kameradschaftlich. Vermutlich wird er auf 120 reduzieren. Ich schätze, du landest endgültig bei 80 Queztal. Bei 2 oder 3 Nächten gibt es dann noch einen Rabatt auf 50 Queztal. Das ist ein fairer Preis. Wenn er dich gehen lässt, verdient er gar nichts.“
Wir nehmen uns vor seinem Leitfaden zu folgen.

El Salvador ist nicht auf Camper eingestellt

Der Ort Garita Palmera ist winzig. Eine lange unbefestigte Straße folgt der Pazifiklinie. Dort sind einige Restaurants und eine Hotelanlage zu finden. Die Hotelanlage fällt sofort aus, da sie zu teuer ist. An den Restaurants könnten wir über Nacht kostenlos parken, wenn wir entsprechend verzehren. Uns sind klare Absprachen lieber. Am Zugang zu den Mangroven steht ein kleines Restaurant. Der Platz wäre zum Einsetzen unserer Kajaks ideal, denn wir möchten am nächsten Tag paddeln. „Estoy buscando un lugar para acampar…“, versuche ich mein Glück.

Gastfreundschaft

José, der junge Besitzer, lacht uns an: „Ihr könnt auf meinem Parkplatz stehen. Schaut, wenn ihr euch hier hinstellt, habt ihr auch Strom und es gibt WLAN. Unsere Terrasse ist euere.“. Er zeigt uns seine private Terrasse mit Blick auf die Mangoven. Alles ist perfekt. „Cuánto cuesta?“, frage ich unsicher. „Nada (nichts).“, antwortet er. Ich schaue ihn entgeistert an. Vielleicht habe ich ihn nicht richtig verstanden? In Guatemala kostet alles etwas. Jeder Quadratmeter Platz. Nun bin ich es, die ihm erklärt, dass er Kosten hat, die wir begleichen wollen. José bleibt dabei. Es sei ihm ein Vergnügen. Dann stellt er uns seiner Familie vor: Frau Christa mit Baby Sara und Töchterchen Adriana. Letztere ist etwa 7Jahre alt.

Konsumieren gegen Stellplatz?

Am nächsten Tag sitzen wir in seinem Restaurant und genießen die schöne Aussicht auf die Mangoven. Die morgendlich Kajaktour war wunderschön, und wir sind nun entsprechend hungrig. Auf diese Weise wollen wir uns (freiwillig) erkenntlich zeigen. José soll ein wenig an uns verdienen. Und wer weiß? Vielleicht wird es erwartet? 
Töchterchen Adriana unterhält uns. Am Nachbartisch sitzen Mitarbeiter des Reserva Natural Mangroves. Sie mischen sich interessiert in unsere Unterhaltung ein, die damit endet, dass sie uns interviewen und einen Film über unseren Bus und uns drehen. Sie sind begeistert über ihre Idee das Material zu Werbezwecken verwenden zu können. Wir werden das Ergebnis nie sehen, daher es uns egal. Nach dem Essen verlangen wir die Rechnung. Der Kellner schüttelt den Kopf: Der Padrón hätte Anweisungen gegeben, dass wir Gäste seien! 
Das kann nicht wahr sein! Ich möchte den Padrón sprechen! Der Kellner bedauert: Sein Chef ist auf Geschäftsreise und kommt erst am Abend zurück. 

Viel Spaß bei unserer Kajaktour

Berni und ich sind über so viel Gastfreundschaft sprachlos. Wie können wir uns bloß revanchieren? Adriana plappert derweil unaufhörlich auf uns ein. Ich schaue auf sie herab. Vielleicht möchte die Kleine ein Kajaktour mit uns unternehmen? Wir könnten mit ihr am Ufer entlang paddeln, und sie könnte allen ihren Freunden zuwinken. Sie wäre der Star im Dorf. Ich frage sie, und tatsächlich, stimmt sie zu. Ich rechnete mit einer kurzen Tour, weil Kinder in der Regel nicht so lange still sitzen können. Nicht so Adriana! 
Sie ist beschäftigt mit Erzählen. Ihr Mündchen hält keine Minute still. Nebenbei sammelt sie bunt gefärbte Mangovenblätter und Muscheln aus dem Wasser ein. Die verwenden wir anschließend für eine Sandburg. Adriana ist glücklich. Und wir mit ihr. Was für ein schöner Tag!

Herzlichkeit

José kommt bei Dunkelheit nach Hause. Wir lassen ihm Zeit anzukommen und suchen ihn dann auf. Seine kleine Familie und drei Freunde sitzen beieinander. Die Männer haben etwas zu feiern. Berni bekommt sofort eine Flasche Bier in die Hand gedrückt. Sie stoßen gestenreich miteinander an. Ich bedanke mich, bestehe aber darauf mich erkenntlich zu zeigen. José macht eine großzügige Handbewegung: Ihr seid solange meine Gäste, solange ihr hier seid! Ist das nun klar?

Morgen fahren wir weiter! So viel Gastfreundschaft ist uns fast unheimlich!