Das schlimmste Erlebnis, El Hawai, Santa Rosa, Guatemala

Das schlechteste und das beste Erlebnis 

Kaum verlassen wir die abenteuerliche Fähre in Monterrico, sichten wir eine blonde Frau mit ihrem Mann. Sie fallen in dieser Umgebung auf. Sind das etwa Deutsche? Nicht ganz. Claudia und Konstantin kommen aus Österreich und sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Sie sind zwischen 50 und 60 Jahre alt und liebäugeln mit einem Bus. Das passende Fahrzeug steht schon in Österreich, allein der Ausbau fehlt. Wir unterhalten uns angeregt. „Eine Frage hätte ich noch“, fragt Konstantin zum Schluss, „was war euer schlechtestes und euer bestes Erlebnis?“. Berni und ich schauen uns an. Gute Erlebnisse gibt es jeden Tag, da sind wir uns einig. Schlechte Ereignisse? Da müssen wir nachdenken. Vielleicht, als wir meinten, in Texas beschossen zu werden? In Wirklichkeit hatte ein Texaner in drei Meter Entfernung seinen Schießstand aufgebaut.„Es ist sicher kein Zufall, dass wir euch getroffen haben!“, meint Konstantin verabschiedend und seine Augen leuchten.

Mongroventour mit einem abrupten Ende

Konstantin angelt gerne und hat sich genau den Strand ausgesucht, an dem wir unsere Paddeltour in die Mangroven starten wollen. Es ist die Stelle, an der der Pazifik auf die Flussmündung trifft. So kann er im Süß- und im Salzwasser angeln. Wir treffen die beiden, als wir die Bucht begutachten. Sie ist vom Pazifik geschützt, so dass kaum Seegang herrscht. Es ist ein public Beach, ein öffentlicher Strand. Eine Handvoll Familien baden bereits im Wasser, ein paar zerfledderte Unterstände (Palapas) schützen vor der Sonne. Vier Fischerboote sind am Strand verankert. Die Stelle ist perfekt und wir freuen uns auf einen schönen Paddeltag.

Am nächsten Morgen sitzen wir bereits um acht Uhr in unserem Doppelkajak. Rosalia nimmt auf meinem Schoß Platz. Es herrscht Ebbe, das heißt, wir können die langen Mangovenwurzeln gut sehen.

Das schlechteste Erlebnis

Zweihundert Meter vor unserem Ausgangspunkt wird mir plötzlich flau im Magen. Berni landet unter einer Palapa an, denn der schwarze Sand ist kochend heiß. Kaum an Land muss ich mich ergeben. Und nicht nur das! Schockartig entleert sich mein kompletter Körper. Mein Kreislauf geht in die Knie, ich liege in meinen eigenen Exkrementen und wünsche mir nur eines: Zu sterben. Berni folgt meinem Niedergang etwa eine halbe Stunde später. Dasselbe Muster, nur, dass er von Sekundenohnmächten begleitet wird. Wir sind körperlich und geistig am Ende. 

Hoffnungslos

Nach etwa einer Stunde ununterbrochenem Übergebens und Durchfalls gibt Berni die Hoffnung auf, dass wir uns selbst aus dieser Situation retten können. So nah vor unserem Ziel, sind wir nicht mehr in der Lage dieses zu erreichen! Er erinnerte sich, Konstantin mit seiner Angel am Strand gesichtet zu haben und wankte zu ihm. Wir sind inzwischen komplett dehydriert. Ich bin bereits im Delirium.

Schutzengel

Die Beiden organisieren ein Fischerboot, das uns und unser Kajak zum Postbus bringt. Konstantin fährt uns in das kleine Spital in Monterrico. Das ist höchste Zeit. Der behandelte Arzt meint, wir sollen Gott danken. 
Als Erstes werden wir mit Infusionen behandelt. Konstantin hält meine Hand und flüstert gedrückt: „Und ich habe dich nach deinem schlimmsten Erlebnis gefragt … !“. Ich blicke ihn tonlos an, denn sprechen kann ich nicht mehr. Mir fehlt die Kraft. Er nickt langsam mit dem Kopf: „Das ist es.“ Ich schließe bestätigend die Augen.

Es gibt keine Zufälle

Claudia und Konstantin bleiben die komplette Zeit an unserer Seite. Sie sprechen ein gutes Spanisch und übersetzen die Anweisung des Personals. Außerdem kümmern sie sich um unser Hündchen Rosalia. Als Nächstes organisieren sie uns ein Zimmer in ihrem Hotel, da wir in diesem Zustand nicht im Postbus wohnen können. Hier werden wir uns die nächsten Tage auskurieren. Der Arzt wird Urin-, Kot- und Blutproben analysieren lassen. Ohne Ergebnis. Das heißt, wir werden nie erfahren, was uns innerhalb von fünf Minuten derart niederstreckte. Das ist beängstigend und wird uns noch lange beschäftigen.
Aber wir verdanken Konstantin und Claudia vermutlich unser Leben. Nein, es gibt keine Zufälle!