Es isr sieben Uhr morgens. Ich höre Schritte auf grobem Kies. Sofort bin ich hellwach. Wir campieren im Jardín Botánica „Helia Bravo Hollis“ im Bioshärenreservat Tehuacán-Cuicatlán bei der Ortschaft Zapotitlan Salinas.
Ein Kakteenland in bizarrer Landschaft
Der Jardin (dt. Garten) „Helia Bravo Hollis“ umfasst ein komplettes Tal, in dem zu Urzeiten ein gewaltiger Strom durchfloss. Er grub sich in das weiche Gestein und hinterließ ein Labyrinth aus Canyons. Ähnlich dem Dinosaurier Park in Kanada. Auch in Mexiko wurden die riesigen Knochen gefunden. Das kleine Museum ein paar Kilometer weiter, werden wir noch besichtigen. Wind und Niederschläge trugen und tragen dazu bei eine bizarre Landschaft entstehen zu lassen. Die Berglandschaft ringsum ist mit stacheligen Kakteen garniert. Von winzigen Kugelkakteen bis zu riesigen Säulen von fünf Metern. Wir befinden uns auf 1400 m Höhe. Die Gipfel ragen bis zu 2500 m in die Höhe. Die Tage sind heiß und die Nächte kühl. Berni liebt diese karge Landschaft. Er hat gefühlte 1000 Fotos geschossen. Ich wiederum liebe die Stille.
Stille und Einsamkeit
Der Jardín Helia Bravo Hollis bietet in die Landschaft geschmiegte Cabañas (dt. Ferienhäuser), diverse Schulungsgebäude, großzügige Duschen und Toiletten, sowie diverse Freiluftgebäude zur allgemeinen Nutzung an. Aber das Schönste ist: Wir sind allein! Diese wunderschöne Welt gehört uns. Nicht ganz: Morgens erscheint eine Mexikanerin, die etwas aufräumt. Aber um 7:00 Uhr? Das ist neu.
Achtung Filmaufnahmen
Den Grund erfahren wir um 8:00 Uhr. Zwei weiße Personentransporter und ein Auto fahren vor. Berni und ich sind inzwischen beim Frühstück und beobachten aus dem Postbus ein munteres Treiben. Zunächst steigen drei in mexikanischer Tracht gekleidete Frauen aus. Sie tragen geschmückte Körbe mit Produkten der Region. Dann folgt ein ganzes Team an Filmleuten. Wie Bienen schwärmen sie aus um die Örtlichkeiten zu überprüfen. Das kann länger dauern. Derweil stehen unsere drei Frauen etwas hilflos in der Gegend herum. Wir bieten ihnen unsere zwei Campingstühle an und erhalten als Dankeschön postwendend eine süße Köstlichkeit aus ihren Körben. Das ist nett.
Mit dem Postbus in erster Reihe
Über unseren Köpfen ertönt schon bald das Summen einer Drohne. „Na, das wird lustig“, denke ich intuitiv, „unser Bus leuchtet bestimmt wie ein gelber Fleck in der dürren Landschaft“. Ein Collectivo Taxi fährt vor und ein junger Mexikaner, ebenfalls in Tracht gekleidet, gesellt sich zu den Señoras. Es geht hier zu wie im Kino. Nur in echt!
Der ideale Standort ist gefunden. Die komplette Mannschaft mitsamt den Protagonisten zieht sich auf einen Aussichtspunkt zurück. Da werden Stative, Filmkameras, Fotoapparate, schwarze Regenschirme und weiße Styroporteile den Berg hinauf geschleppt. Eine Maskenbildnerin mit Beautycase und Kosmetikkoffer folgt.
Der Postbus im mexikanischen Werbefilm
Inzwischen hat der junge Regisseur das Filmmaterial der Drohne gesichtet und offensichtlich eine Idee bekommen. Er spricht uns auf englisch an: Woher wir kommen, wie es uns hier gefällt und was wir noch vorhaben. Und dann rückt er mit der Sprache heraus: Ob er uns interviewen dürfte? Sie drehen einen Film über den Jardín Helia Bravo Hollis. Über die Tradition, die Zukunft, den Tourismus und überhaupt…
Berni und ich schauen uns an. Wir denken an das letzte Filmabenteuer und müssen grinsen. Das war doch eigentlich ganz lustig. Unser Postbus in einem mexikanischen Werbefilm? Warum nicht.
Klappe auf
Berni und ich kommen ganz zum Schluss dran. Die Filmleute sind bereits erschöpft. Der Tag war lang und heiß. Wir werden mit Mikrofonen ausgestattet. Die Maskenbildnerin pudert uns ein. Der Regisseur bespricht mit uns den Text. Es wäre schön, wenn wir den spanischen Satz sagen könnten: Tienes gana de aventuras, tienes gana de Puebla und die deutschen Übersetzung: Möchtest du Abenteuer erleben, musst du nach Puebla gehen. Puebla ist der hiesige Bundesstaat. Ich bin erleichtert. Das ist nicht viel Text. Er platziert uns vor dem Postbus. Ein Blick durch die Kamera – oh nein! Das geht gar nicht. Berni hat ein T-Shirt mit dem Logo der amerikanischen Firma Wilson an. Das ist Werbung. Mein Odlo Logo stört indes nicht (!). Amerika und Mexiko – sie mögen sich vor und hinter der Kamera nicht. Berni zieht kurzerhand sein T-Shirt auf links. Alle lächeln. Wir sind unkompliziert.
Kamera läuft
Einen spanischen Satz synchron in die Kamera zu sprechen, ist allerdings komplizierter wie man denkt. Vor allen Dingen, weil Berni überhaupt kein Spanisch spricht. Wir brauchen ein paar Anläufe. Aber zum Schluss klatschen alle Beifall. Wir sind sympathisch. Unter munterem Hupen und Winken brausen die Filmleute davon. Wir hinterließen unsere Visitenkarten. Aber, ob wir den Film jemals sehen, ist fraglich. Irgendwann in Mexiko wird ein Film über den Jardin Helia Bravo Hollis ausgestrahlt in dem unser Postbus zu sehen ist. Das ist irgendwie schön.
Erst Film, dann Radio
Den nächsten Tag brauchen wir zur Erholung. So ein Film Event ist anstrengend. Wir unternehmen eine Wanderung und als wir am Spätnachmittag auf unseren Platz zurückkehren, hat sich ein VW T3 zu unserm Postbus gesellt. Sein Besitzer kann es fast nicht erwarten mit uns zu sprechen. Er betreibt den Radiosender RADIO mojarra in Mexiko City und ist VW Liebhaber. Berni und ich sind sprachlos. Gestern ein Film, heute Radio. Von unserem Postbus ist er hellbegeistert. Sein Handy nimmt pausenlos alle Gespräche und Bilder auf. Gut möglich, dass unser Postbus auch bald im mexikanischen Radio erwähnt wird…