Caracol – Ein Platz im Himmel, Cayo, Belize 

„Ich habe auch so einen kleinen Hund. Er heißt Cleo. Wie heißt ihrer?“. Wir sind schon an der kleinen Gruppe amerikanischer Touristen vorbei, als ich die Stimme ihres Guides am Eingang der Ausgrabungsstätte Caracol in meinem Rücken höre. „Rosalia.“, antworte ich und drehe mich um. Der Reiseführer strahlt mich an. „My dog is my best guide“, sagt er und nickt seinen Gästen zu. Sie lächeln höflich. Dann sucht er in seinem Handy nach einem Bild. 

Besichtigung von Caracol mit Hund 

Berni, Rosalia und ich besichtigen die größte Maya-Ausgrabungsstätte Caracol des Landes im Süden von Belize. Es ist das erste Mal, dass unser Hund uns begleiten darf. Das macht uns Belize sympathisch. „Hier! Das ist mein Hund!“, lacht der Guide und reicht uns sein Handy. Die Ähnlichkeit zu unserem Hund ist unverkennbar: Es ist ebenfalls ein Chihuahua. Mir scheint, mit noch größeren Ohren! „Das ist mein bester Freund“, schwärmt er und schaut das Bild verliebt an. Es muss an den tiefen Wurzeln der Mittelamerikanern zu ihrer Geschichte liegen. Anders kann ich mir die Beliebtheit der Chihuahuas nicht erklären. Schon die Toltekenprinzessinen spielten mit diesen kleinen Hunden. Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht auf unseren Zwerg angesprochen werden.

Die geographische Lage von Caracol 

Als Maya-Laie ging ich davon aus, dass die Halbinsel Yucatán das Zentrum der Maya-Population darstellt. Schließlich besichtigten wir in Mexiko ein Weltkulturerbe nach dem anderen. Die Ausgrabungsstätte Tikal schien mir, aus mexikanischer Sicht, ein Außenposten. Das Gegenteil ist der Fall. Tikal befindet sich im geografischen Zentrum. Caracol ist etwa 75 Kilometer Luftlinie davon entfernt. Kilometerlange geradlinig verlaufende Straßen (Sacbeab) verbanden unzählige Städte miteinander.

Die Maya erschufen mächtige Stadtstaaten, die von göttlichen Königen und Priestern regiert wurden. Leider mit persönlichen Macht- und Prestigegelüsten. Jeder stritt mit jedem. Allianzen entstanden und verfielen. Die Niederlagen und Siege sind auch in Caracol bestens auf Stehlen dokumentiert.

Die Metropole Caracol 

Erste Siedlungsspuren fanden die Archäologen bereits um 1200 v. Chr.. Von 550 v. Chr. bis etwa 700 v. Chr. dominierte Caracol im südlichen Tiefland der Maya. Caracol entwickelte sich ebenso wie Tikal zu einer Mega-Stadt mit etwa 115 000 Einwohnern. Ungefähr 36 000 Hausplattformen schlummern im 88 Quadratkilometer großen Siedlungsgebiet der Stadt. Im Kerngebiet wurden zur Freude der Archäologen über 100 Gräber und ein Dutzend unterirdische Kammern gefunden. Anhand der Opfergaben lässt sich nämlich viel über die damalige kulturelle Identität erfahren. In Caracol fertigten die Maya aufwändige Keramikbehälter verschiedener Größen an, die die Form von Menschen-, Götter- und Vogelköpfen darstellen. Außerdem wurden reich verzierte Jade-Masken in sogenannten Steinschachteln gefunden.

Was ist für mich das Besondere an Caracol?

Ich stehe vor einer mächtigen Pyramide, deren Stufen auf eine Plattform führen. Was sich darüber verbirgt, erkenne ich aus meinem Blickwinkel noch nicht. Die Stufen verlieren sich sozusagen im strahlend blauen Himmel. Oben angekommen, blicke ich nach unten: Der Blick auf den Platz ist schön. Ich drehe mich um und erkenne eine weitere, quasi aufgesetzte, mächtige Pyramide. Auch diese endet im Himmel. Inzwischen laufe ich die Stufen im Zickzack, das ist nicht ganz so anstrengend. Es reicht, denke ich, oben angekommen. Und staune! Mich erwartet ein ganzer Platz, der mit kleineren Pyramiden und Gebäuden umsäumt ist! Wer hätte das gedacht? Ich bin beeindruckt. Was müssen die Maya empfunden haben, an dieser erhabenen Plaza? Dasselbe wie ich. Deshalb nannten sie ihn in ihrer Sprache Caana. Das bedeutet „Platz im Himmels“! Die letzten Stufen fuhren zwar nicht in den Himmel, aber auf eine wundervolle Aussicht.

Rosalia 

Eine guatemaltekische Familie besichtigt an diesem sonnigen und heißen Tag die Ausgrabungsstätte. Ihre drei Kinder sind von unserem Chihuahua genauso begeistert wie der Guide der Amerikaner. Aber sie getrauen sich nicht, uns anzusprechen. Berni und ich erklimmen die Stufen der nördlichen Akropolis und sinken oben angekommen erschöpft auf ein paar Stufen.

Dort sitzt bereits unsere Familie im Schatten eines Baumes, der aus dem Mauerwerk der Pyramide wächst. Völlig unerwartet läuft unser Hündchen zum jüngsten Kind und schmiegt sich an das etwa achtjährige Mädchen. Sie schaut überrascht auf den Hund, auf uns und dann auf ihre Geschwister. Wie in Zeitlupe verwandelt sich ihr hübsches Gesicht von Überraschung über Stolz zu Zuneigung. Unser Hund hat sie auserwählt! Das ganze Kind leuchtet. Als wir der Familie erklären, dass unser Hund Rosalia heißt, strahlen alle. Warum? Ehrlich gesagt, wir wissen es nicht. Aber wir beobachten es immer wieder. Vielleicht gibt es einen spanischen Song über eine legendäre Rosalia? Oder vielleicht heißt jede zweite Oma in Zentralamerika Rosalia? Nach dem Motto: Der Hund heißt wie Oma… ? Es bleibt ein Rätsel.