Es hilft alles nichts. Wir nähern uns unweigerlich den schneebedeckten Bergen. Berni und ich lieben die Wärme. Nicht umsonst sind wir nach unserem Start in Halifax im September 2018 direkt Richtung Süden aufgebrochen. Es wäre uns nie in den Sinn gekommen unsere Runde über Canada zu beginnen. Das gibt es auch. Reisende, die uns berichteten, wie sie morgens Eis von den Fensterscheiben kratzten. Von innen wohlgemerkt.
Wir hatten gehofft, dass Ende April der Winter in den Rockies vorbei sei … das war ein Irrtum. Der Frühling beginnt hier erst Mitte Mai.
Die National Parks
Wir fahren über den Mount Revelstoke NP und den Glacier NP in das Kerngebiet der Rockies:
Zum Yoho NP, Banff NP, Kootenay NP und Jasper NP.
Sechs National Parks gehen fast übergangslos ineinander über. Eine riesige geschützte Fläche. Die Gipfel reichen bis über 3000 m. Alle sind selbstredend weiß. Allerdings sehen wir sie nicht. Schwere graue Wolken verdecken die Sicht. Der Schnee entlang des Hwy 1 ist dreckig grau. Eine Baustelle folgt der Nächsten. Am Lake Louise (1500 m) im Banff NP wählen wir unseren Übernachtungsplatz. Genug Auto gefahren für heute. Wir haben Internet Empfang. Das ist gut, da werfen wir doch gleich einen Blick in die Wettervorhersage. Und trauen unseren Augen kaum: -10 Grad in Nacht! Morgen nicht weniger… Da sind wir uns schnell einig: Nichts wie weg hier. Gleich am nächsten Morgen.
Icefield Parkway Road
Am nächsten Morgen scheint die Sonne. Unglaublich aber wahr. Wir sehen die majestätischen Bergrücken, die weißen Gipfel, den blauen Himmel und die Sonne. Und es ist wunderschön.
Die Icefield Parkway Road verbindet den Banff NP mit dem Jasper NP. Sie ist 230 km lang und ein sog. must do, wenn man in den Rockies unterwegs ist. Egal zu welcher Jahreszeit. Aber die Sicht sollte gut sein, so die Empfehlung in den Reiseinformationen, notfalls ein paar Tage überbrücken. Die Sicht ist heute ausgezeichnet (!). Die Rockies laden uns förmlich ein und wir … ändern unsere Pläne. Berni holt meine Daunenjacke vom Dach des Postbusses und dann starten wir in unser eisiges Abenteuer. Man sagt, die Bären wären aus dem Winterschlaf erwacht …
Grizzlies, Schwarzbären und allerlei Getier
Seit Monaten fahren wir in Amerika und Canada durch Bärenland und haben indes noch keinen Bär gesichtet. Fast könnte man meinen die Schilder mit den Hinweisen auf Bären (keinen Müll zu hinterlassen und die Lebensmittel wegzusperren) seien Attrappe. Aber hier in den Rocky Mountains latschen sie am hellen Tag mitten über die Straße. Unser erstes Exemplar ist ein großer Braunbär. Er hält sich an die Straßenverkehrsordnung und prüft, ob die Straße frei ist, bevor er die Fahrbahn kreuzt. Wir lassen ihm gerne den Vortritt, so fasziniert sind wir von seiner Gestalt.
Der nächste Kandidat ist ein deutlich kleinerer Schwarzbär. Sein schwarzes dichtes Fell glänzt in der Sonne wie Seide. Der kleine Kerl ist mager und ausgezehrt vom Winterschlaf. Er hat ein Beerenfeld entdeckt und lässt sich absolut nicht bei der Ernte stören. Kaum zu glauben, dass diese Tiere gefährlich sein können. Sehen doch sehr niedlich aus?!
Da sieht der Adler, der vis-a-vis von uns einen Fisch verspeist, richtig gefährlich aus. Wir essen gerade ebenfalls zu Mittag. Bei uns gib es … ups … Lachs!
Die Longhorns turnen oberhalb eines vereisten Wasserfalls herum und bieten uns ein Fotoshooting vom Feinsten. Und auch die wilden Bergziegen scheinen Fotografen gewöhnt zu sein.
Wir haben uns immer gewundert, was die Menschen in die Rocky Mountains zieht. Da ist es doch so kalt?! Wir wurden eines besseren belehrt. Es ist eine faszinierende Bergwelt. Voller Anmut und Schönheit. Es rentiert sich morgens die Fensterscheiben zu kratzen. Von innen wohlbemerkt.