Berni hat genug von der wechselhaften Wetterlage. Irgendwie scheint die Regenzeit in Zentralamerika dieses Jahr nicht enden zu wollen. Im Nordwesten von Honduras ergossen sich so heftige Regenfälle, dass wir unsere Route änderten und in die entgegengesetzte Richtung fuhren. Es scheint, als ob wir dem Regen davonfahren und er uns immer wieder einholt! Kalt ist es nicht. Im Hochland pendeln die Temperaturen so um die 25 Grad. Aber Abends wird es empfindlich kühl. An der Pazifikküste soll es 35 Grad warm sein!
San Lorenzo
Auf der Karte entdeckt Berni einen Ort, der eine ideale Ausgangsposition für eine ausgiebige Paddeltour in die Mangroven sein könnte: San Lorenzo. Drei Übernachtungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung. Nummer eins ist ein verlassener schäbiger Parkplatz. Nummer zwei ist der Gästeparkplatz eines Restaurants aus dem laute schräge Musik tönt. Und Nummer drei ist der Parkplatz des Restaurants eines Deutschen, der ausgerechnet Montags Ruhetag hat. Was tun? Ich frage in einem ruhigen Hotel namens Ross Mery nach. Die Chefin ist gerade schlecht gelaunt. Sie nennt uns einen astronomisch hohen Preis. Mit meinen rudimentären Spanisch Kenntnissen erkläre ich ihr, dass wir weniger Geld für ein Zimmer in einem Hostel in der Hauptstadt gezahlt hätten. Es ist doch nur ein Parkplatz! Wir einigen uns auf die Hälfte für zwei Tage. Das ist in Ordnung. Ich bin geradezu stolz auf meine Verhandlungskünste!
Restaurante Ross Mery
Das Hotel ist ein Glücksfall. Die Besitzerin sammelt alte Geräte, von denen etliche aus Deutschland stammen. Sie hat ein kleines Museum eingerichtet. Und weil wir so begeistert sind, taut sie mehr und mehr auf. Die sanitären Anlagen bestehen aus einer Dusche, Toilette und Umkleidekabinen, weil ein kleiner Pool zum Anwesen gehört. Alles ist gepflegt und sauber – und vor allem ruhig!
Paddeltour in den Mangroven
Nach einer verschwitzten Nacht starten wir am Morgen zu einer Kajaktour. Hier ist es uns fast zu heiß! Der Himmel ist zum Glück durchwachsen, aber wir unterschätzen die Gefahr und bekommen beide im Verlauf des Tages einen heftigen Sonnenbrand.
Werner und sein Restaurant La Playa San Lorenzo
Nach der schönen Paddeltour sind wir wie beseelt. Wir wollen den Tag angemessen ausklingen lassen und besuchen den einzigen Deutschen im weiten Umfeld. Sein Restaurant La Playa San Lorenzo liegt am Strand und wir genießen von seiner Terrasse aus einen herrlichen Sonnenuntergang. Werner lebt seit 53 Jahren in Honduras. Er hat alle Höhen und Tiefen dieses Landes miterlebt. „Wenn die Regierung wollte, konnte sie dir einfach dein Land wegnehmen. So war das damals!”. Vielen ist das passiert, auch ihm. Trotz aller Korruption sieht er die Wurzel allen Übels in dem fehlenden Interesse am Bildungssystem für die Kinder. Nur auf dem Papier gibt es eine Schulpflicht. Das schlimmste sei die Einführung einer Schuluniform gewesen. Die können sich viele Eltern nicht leisten.
Das Land formt die Menschen
Werner denkt viel nach. „Das Land formt die Menschen“, sagt er nachdenklich, „Die Natur gibt dir hier alles, was du brauchst und es ist immer warm. Du benötigst nicht viel um zu überleben. Daher sind die Honduraner es nicht gewohnt hart zu arbeiten.“ Werner kommt gebürtig aus Stuttgart. „Deutsche Werte gibt es hier nicht“, seufzt er. Aber gibt es sie überhaupt noch? Werner möchte Deutschland nicht mehr besuchen. Er kann es nicht ertragen, was aus seinem Heimatland geworden ist. Dann zeigt er uns seine Bar. Er hat Alkohol aus der ganzen Welt gesammelt. Meine Augen bleiben an den Details hängen. Jeder Gegenstand auf seinem Tresen erzählt eine Geschichte.
Werner hat mit seinen 83 Jahren viel erlebt. „Was nutzt dir alles Geld?“, sagt er und macht eine Handbewegung, „wenn es mit dem Herzen nicht stimmt? Das ist das Wichtigste!“. Ein weiser Mann.