Im äußersten Westen von Nicaragua ragt ein kleiner Vulkan aus dem Meer. Er bildet mit dem Festland die gleichnamige Halbinsel Cosigüina. Von seinem Krater aus kann man einen Blick auf Honduras und El Salvador werfen. Eine Art Dreiländerblick!
Das kleine Fischerdörfchen Los Zorros ist eine gute Ausgangsbasis um das Meer, die dahinterliegenden Mangroven und den Vulkan Cosigüina genauer zu untersuchen.
Rancho Tranquillo, Los Zorros
Unsere iOverlander App schlägt zum Campen das Rancho Tranquillo vor. Ein hübsches Mädchen mit blondgefärbten Rasterlocken tippt auf ihrem Handy herum. Sie blickt nicht auf. Ich halte sie für einen Gast. Allerdings ist sonst niemand da. Also bleibt mir keine andere Wahl, und ich spreche sie auf spanisch an: „Es posible acampar aqui?“. Sie blickt auf und nickt mit dem Kopf. Dann telefoniert sie. Ich verstehe soviel, wie: „Da sind Leute, komm her, du weißt, dass ich kein Englisch spreche …!“. Sie kommt mir vor wie ein Teenager, der null Bock auf irgendwas hat. Berni ist kurz davor wieder zu gehen. Ich kann ihn überreden das Gelände anzusehen. Das Rancho Tranquillo hat schon bessere Zeiten erlebt. Vielleicht ist ein Hurrikan über den Küstenstreifen gezogen, wer weiß? Die Dächer der Ferienhütten sind undicht und bei den sanitären Anlagen fehlen alle Türen bis auf die WC-Tür. Immerhin die wichtigste ist vorhanden!
Ein sagenhaftes Meer
Ein zweites Mädchen erscheint. Kurz überlege ich, ob es sich um Zwillinge handeln kann. Geschwister sind es allemal. Sie ist etwas kommunikativer. Sechs US-Doller pro Nacht möchte sie haben. Parken können wir unter schattigen Bäumen. Sieht man von den diversen Mängeln ab, ist die Lage traumhaft. Wir stimmen zu. Mädchen Nummer Zwei verschwindet wieder und Mädchen Nummer Eins widmet sich erneut ihrem heiß geliebten Handy. Während unseres Aufenthaltes sehen wir sie hoch konzentriert in ihr Handy schauen. Den ganzen Tag. Ohne Augenkontakt zu uns. Sie sitzt ihre Zeit ab, soviel steht fest.
Tierische Mangroven
Am zweiten Tag laden wir unser Kajak auf den Bootswagen und schieben ihn auf die andere Seite des schmalen Festlandstreifens. Die Halbinsel Cosigüina ist bekannt für ihre weitläufigen Mangrovenwälder. Hier finden wir ein ungewöhnliches Pärchen: Ein Löffler und ein Sichler scheinen verliebt ineinander zu sein. Sie bleiben unentwegt zusammen.
Die eiskalte Prinzessin
Am Abend lernen wir den Bruder der Geschwister kennen. Er hat die typischen Rasterlocken und ist ansonsten das Gegenteil seiner Schwestern. Interessiert unterhält er sich mit uns. Auch die Nachbarskinder verlieren ihre anfängliche Zurückhaltung. Es sind drei Jungs, die alles an uns spannend finden. Ihre Mutter reicht uns eine Cocoanuss über den Zaun. Das ist nett! Inzwischen arbeitet meine Fantasie auf Hochtouren. Die Eltern unserer Geschwister sind nie aufgetaucht. Wo sind sie? Es sieht so aus, als ob die drei den Platz alleine managen, was man am Verfall sehen kann. Ich bringe unserer eisigen Prinzessin einen süßen Kecks! Und siehe da, am nächsten Morgen bietet sie uns eine halbe Papaya an! So langsam fühlen wir uns heimisch, aber der Vulkan Cosigüina ruft uns!
Der Vulkan Cosigüina
Von der NN-265 kommend führt eine acht Kilometer lange nicht asphaltierte Straße zum Parkplatz auf etwa 550 Höhenmetern. Die hiesige Bevölkerung bietet vor Ort den Transport auf Pferden, Geländemotorräder oder Allrad Pickups an. Denn die Straße besteht aus Geröll, tiefen Gräben und 15% Steigung. Berni ist voller Vertrauen und ich sehe schon unseren nächsten Reifen platzen! Ein deutscher Postbus ist definitiv nicht für diesen Untergrund gebaut.
Die Besteigung des Vulkanes Cosigüina
Es sind nur etwa zweihundert Höhenmeter zu Fuß zurückzulegen. Aber es ist unerträglich heiß und schwül. Der Pfad besteht wie die Straße aus losem Geröll. Etliche diverse Betonbänke zeigen an, dass es nicht nur uns so geht: Unser Schweiß rinnt in Strömen! Unterwegs können wir die Geografie der Halbinsel Cosigüina aus der Vogelperspektive erleben. Wie Würmer ziehen sich die Mangrovenflüsse durch die Halbinsel. Oben angekommen werden wir mit einem wunderschönen Blick in den Vulkankrater belohnt!
Im Hintergrund sehen wir die Inseln/Vulkane von Honduras und von El Salvador. Es ist schön hier oben. Ein angenehmer Wind weht. Geier nutzen die Thermik und ziehen ihre Kreise über dem Kratersee. Die Farben leuchten. Wir nehmen uns die Zeit am Kraterrand entlang zu wandern.
Denn nichts kann Berni dazu bringen, die Straße heute noch zurückzufahren…!