Der Postbus kommt an seine Grenzen, Costa Rica

Zum ersten Mal signalisiert mir Berni durch die Windschutzscheibe: „Ich will HIER nicht weiterfahren!!!“. Ich stehe vor unserem Postbus und versuche mit unserer Holzleiter die Äste eines Baumes nach oben zu drücken. Sie ist unser längstes Teil, das wir an Bord haben. Der Weg vor uns sieht miserabel aus. Der Weg hinter uns ebenfalls. 

Ruta National 160/Secondaria

Berni hat schon einen harten Tag hinter sich. Heute morgen starteten wir vom Playa Choyote nach Montezuma. Wir fuhren auf der Ruta National/Secondaria 160 in der Hoffnung auf solide Straßenverhältnisse. Eine geteerte Straße gibt es auf der Halbinsel Nicoya nur in den Ortschaften. Soviel haben wir schon gelernt.
Es ist ein sonniger Tag. Riesige Viehweiden mit austreibenden Zaunpfosten ziehen an meinem Fenster vorbei. Das sieht idyllisch aus. Müsste ich mich nicht am Griff meiner Beifahrertür festkrallen, könnte ich den Anblick genießen. Die unbefestigte Straße ist gespickt mit Schlaglöchern, die bei den Licht und Schattenspielen schwer zu erkennen sind. Es geht munter bergauf und bergab. Die irrwitzige Steigungen sind nur mithilfe unseres ESP (Elektronisches Stabilitätsprogramm) zu schaffen. Eben kämpften wir uns Zentimeter um Zentimeter den Hang hinauf. Berni schwitzt!

Flüsse zu überqueren gehört zum Alltag auf Nicoya

Und dann standen wir plötzlich vor einem breiten Fluss. Die offizielle Straße führt auf die andere Seite! Müssen wir umkehren? Berni steigt aus und begutachtet die Situation. Unser Postbus hat keinen Allradantrieb. Ein Geländewagen schickt sich ebenfalls an die Furt zu überqueren. Der Fahrer beruhigt Berni: „Das Wasser ist nicht tief!“. „Ziehst du uns heraus, wenn wir steckenbleiben?“, fragt Berni zweifelnd. Der Costa Ricaner zeigt mit dem Daumen nach oben und fährt voraus. Er macht das nicht zum ersten Mal.

Auf der anderen Seite angekommen, kann es Berni fast nicht glauben: „Das hätte ich mir alleine nie getraut!“. Viel Zeit sich von dem Schock zu erholen, hatte mein Mann nicht. Auf den 38 Kilometern musste Berni insgesamt drei Flußüberquerungen meistern. Jedes Mal zitterte er innerlich. Denn mitten im Fluss steckenzubleiben ist kein Spass: Die Wucht des Wassers ist nicht zu unterschätzen. 

Sie kamen an ihre Grenzen. Der Postbus und sein Fahrer.

Montezuma

Eigentlich hatten wir vor, in Montezuma zu übernachten und die restlichen 17 Kilometer zum Nationalpark Cabo Blanco morgen zu fahren. Wir besichtigten am Nachmittag in Montezuma einen kleinen Wasserfall, der aber für mich zu schwer zugänglich war: Der Wasserfall muss leider erklettert werden. Ich habe keine Außenbänder an meinen Knöcheln mehr. Alles mit Balance ist schwierig für mich. So begnügten wir uns mit der „unteren Etage“ des Wasserfalles und hatten früher wie beabsichtigt Feierabend. Nach der Höllenfahrt am Morgen hätten wir uns diesen redlich verdient. Sollte man meinen. Wir hätten auf unser Gefühl hören sollen! 

Von Montezuma zum Nationalpark Cabo Blanco

Unsere NavigationsApp schlug uns eine Route durchs Hinterland vor. Und da stehen wir nun. Irgendwo im nirgendwo. Hinter uns liegt eine kleine aber hinterhältige Bachüberquerung: Die Ufer sind verschlammt und unser Postbus schlitterte bereits auf der Herfahrt. Vor uns liegt ein zugewachsener Weg. „Nein, wir kehren um!“, resigniert Berni. Er wirkt müde. 
Irgendwie holpert unser Postbus über alle Hindernisse zurück nach Montezuma. Dort stellen wir fest, dass es eine neue Uferstraße gibt. In weniger als einer halben Stunde sind wir an unserem Ziel: Einem Übernachtungsplatz kurz vor dem Nationalpark Cabo Blanco. Endlich Feierabend! Wir sitzen gedankenversunken am Meer und beobachten Vögeln, die im Wasser nach Fischen tauchen. Berni schüttelt immer wieder den Kopf: Was in unserem Postbus steckt … unglaublich!