Auf der Insel Ometepe leben heute die Nachfahren der Nahuaindianer. Sie gaben der Insel ihren Namen: Ome = zwei und Tapete = Hügel. Das Eiland war eine heilige Stätte, an der die Götter verweilten. Zu ihrem Schutz dienten die zwei mächtigen Vulkane El Maderas und El Concepción. Die Zeugnisse ihrer Geschichte finden sich in den Petroglyphen, die über die ganze Insel verstreut auf Felsen zu finden sind. Aber was stellen sie dar?
Steinerne Zeugen
Berni und ich wandern auf dem Petroglyphenweg im Nationalpark Vulkan Maderas. Der Pfad führt durch einen trockenen Regenwald und es dauert nicht lange, da entdecken wir einen riesigen Stein mit Zeichen (pierna magnifica). Wir sahen auf unseren Reisen schon viele Petroglyphen (zum Beispiel Seminole Canyon, Petroglyphen Field, USA), aber diese Bildsprache ist für mich unverständlich. Es sind eher Muster aus Wellen oder Kreisen. Sind das vielleicht Schriftzeichen? Was will uns der Künstler nur mitteilen?
Affen bewachen die Petroglyphen
Der Wanderweg führt uns zu etlichen Steinen. Sie sind zum Teil kunstvoll über Eck gearbeitet. Ich sitze vor einer Zeichnung und rätsele, bis ich durch ein ohrenbetäubendes Geschrei gestört werde. Berni und ich bemerkten die Brüllaffen nicht, die sich über unseren Köpfen befinden. Ein fremder Affenclan, der den Baumgipfelweg kreuzt, offenbar auch nicht. Die beiden Anführer brüllen sich minutenlang lauthals an. Denn so werden unter Brüllaffen Konflikte gelöst! Die Damen im jeweiligen Clan beschwichtigen. Es wird noch ein wenig hin und her gebruddelt und dann geht jeder seine Wege. Auch wir.
Die El Ceibo-Museen
Wir möchten mehr über die Kultur von Ometepe wissen und besuchen das hiesige Museum an der Straße von Moyogalpa nach Altagracia. Es wurde 2007 von Moisés David Ghitis Rivera gegründet, der es auf seiner landwirtschaftlichen Finca in einem ehemaligen Tabakofenkomplex unterbrachte.
Rivera fand im Laufe der Zeit so viele Petroglyphen, Scherben und Arbeitsgeräte auf Ometepe, dass er sie der Öffentlichen zeigen wollte.
Heute beherbergt das Museum zwei Hauptabschnitte: einen der präkolumbianischen Archäologie und einen der nicaraguanischen Numismatik (Münzsammlung). Zugleich ist es ein Hotel mit Swimmingpool und schönem Garten.
Urnenkult
Ein Mitarbeiter des Museums begleitet uns über etwa 200 Quadratmeter Ausstellungsräume und erklärt die Zeitepochen und die Verwendung einiger Gegenstände. Ich würde sagen, alles, was nicht verrottet, wurde gefunden. Mein Blick bleibt an riesigen Schüsseln hängen. Sie sind übereinander stapelbar. „Das sind Urnen.“, erklärt unser Führer und zeigt auf eine geöffnete. Hier liegen die gebrochenen Knochen eines Menschen. Ich weiche zurück. „ Qué? (Was?)“, frage ich stammelnd. Ich stelle mir gerade eine wirklich grausige Szene vor! „Man hat die Toten verbuddelt und nach sechs Jahren sind nur noch die Knochen und Haare vorhanden. Die Überreste werden dann passend zum Gefäß gemacht, in die Urne gefüllt und in der Behausung aufgestellt. Ganze Generationen finden so übereinander Platz!“. Eigentlich ganz praktisch. Aber irgendwie auch gruselig.
Ich verlasse nachdenklich das Museum und blicke mich um. Ometepe war eine heilige Insel und ist heute noch voller Geschichten. Wie schade, dass wir die Petroglyphen nicht entziffern können.