Würden wir die kleine Karibikinsel Utila genauso mögen, wenn wir Milady nicht kennengelernt hätten? Ich sitze auf der Fähre und blicke nachdenklich dem immer kleiner werdenden Landflecken nach.
Die Karibikinseln von Honduras
Die Bay Islands an der honduranischen Nordküste sind ein Geheimtipp. Bislang sind sie hauptsächlich bei Tauchern bekannt, denn sie liegen am Belize Barrier Reef, dem zweitgrößten Riff der Welt. Das Tauchen und Schnorcheln steht daher bei den Besuchern im Fokus. Aber das ist nicht alles. Es ist der karibische Flair, der die Touristen begeistert: kristallklares und türkisfarbenes Wasser, weißer Sandstrand mit Palmen und die Lockerheit. Die Bevölkerung besteht unter anderem aus den Garifuna. Sie sind Abkömmlinge der ehemaligen Westafrikanischen Sklaven.
Die Hauptinsel Roátan ist inzwischen von sesshaft gewordenen Ausländern überschwemmt. Wer will es ihnen verdenken? Utila gilt als ruhiger und ursprünglicher. Das ist die richtige Insel für uns!
Anfahrt nach Utila
Zweimal am Tag fährt von La Ceiba aus die Fähre Dreamferries nach Utila: Morgens um 7:00 und um 16:30 Uhr. Wir wählen die Nachmittagsfähre. Der Postbus muss am Fährhafen auf uns warten. Denn auf Utila gibt es keinen Autoverkehr. Es herrscht hoher Wellengang und die Crew teilt vorsichtshalber Brechtüten aus. Als Kajakfahrer kann uns das nicht erschüttern.
Für unseren Aufenthalt mieteten wir ein kleines Studio in einem Ferienhäuschen bei Chez Milady. Die Vermieterin bittet uns über WhatsApp nach Ankunft der Fähre direkt einzuchecken, da sie noch zum Abendessen eingeladen ist. Eine Stunde später erreichen wir Utila und nehmen uns sofort ein TucTuc. Wir landen vor einem geschlossenen Gate. Berni bezahlt den Fahrer, der aber nicht genügend Wechselgeld bei sich hat. Es geht ein bisschen hin und her, da erscheint Milady.
Milady
Die kleine zierliche Frau in dem weißen luftigen Kleidchen sieht aus wie ein Engelchen mit schwarzen krausen Locken.
Sie zieht dem verblüfften Fahrer unseren Geldschein aus den Fingern, gibt ihn uns zurück und wendet sich mit den Worten zum Gehen: „Der Tag ist zu Ende und er hat kein Wechselgeld? Das ist kein guter Mensch!“ Wir sind genauso verblüfft wie der TucTuc Fahrer. Sprachlos trotten wir hinter ihr her zu unserem Studio.
Milady und ihre Tiere
Sie öffnet die Tür und blickt uns ein wenig unsicher an. „Vielleicht gibt es Spinnen hier, das kommt vor, dann bringt sie nicht um.“ Milady zeigt auf einen großen Joghurtbecher mit Deckel, „damit könnt ihr sie fangen und vor die Tür setzen.“ Ich signalisiere ihr, dass ich das Zuhause auch so mache. „Ja, es gibt auf Utila aber auch die großen Spinnen. Taranteln. Ihr kennt sie?“ Meine Lieblingstiere sind das sicher nicht, aber Berni hat keine Angst. „Wenn ihr nicht klar kommt, ruft mich an!“
Ein Wirbelwind
Dann erklärt sie uns die verschiedenen Lichtschalter, die Klimaanlage und den Herd. Und nicht vergessen: Kein Toilettenpapier ins Klo! Den günstigsten Motorroller gibt es hier, sie zeigt auf eine Liste mit Telefonnummern. „Am besten ihr meldet euch heute Abend noch an!“ Daneben sind die Rufnummern der Restaurants gelistet, sie liefern auch ins Haus. Dann zückt sie eine Karte der Insel und zeigt uns, was Utila zu bieten hat. Mir raucht bereits der Kopf. „Morgen ist ein schöner Tag. Ihr könnt mit dem Boot zu Neptunbar fahren, was meint ihr?“ Ich nicke ergeben mit dem Kopf. „Die Abfahrtzeiten sende ich euch über WhatsApp. Ich muss jetzt leider gehen.“, spricht unser Wirbelwind und lässt uns verdattert zurück.
Neptune‘s at Coral Beach
Der Ratschlag von Milady, uns sofort um einen Roller zu kümmern, hat sich bewährt. Am nächsten Morgen, pünktlich um neun Uhr, bringt uns Ryan ein Navi Moto. Wir müssen nur noch aufsitzen und losfahren. Einen Helm geschweige spezielle Kleidung oder Schuhe trägt auf Utila keiner.
Utila die Insel der Glücklichen
Am nächsten Morgen besucht uns Milady mit ihren zwei Hunden. Ich bedanke mich für die guten Tipps. Heute möchten wir die Insel mit den Roller erkunden, aber morgen? „Die Trauminsel Water Cay empfehle ich euch! Dort könnt ihr schnorcheln und schwimmen.“ und schon sendet sie uns per WhatsApp einen Tourenanbieter. Ich betrachte sie verstohlen. Sie dürfte um die sechzig Jahre alt sein und sieht umwerfend gut aus. Wie macht sie das? „Sport, kein Zucker und Disziplin“, verrät sie mir augenzwinkernd.
Water Cay
An der Westspitze der Insel Utila befinden sich kleine weiße Sandinseln, die in leuchtend blauem Wasser liegen und von Korallen umgeben sind. Unsere Tourenanbieter Bushtours bringt etwa zehn Touristen und uns mittels eines Motorbootes auf die Palmeninsel Water Cay. Die Fahrt dauert etwa eine halbe Stunde. Auf der kleinen Insel gibt es nichts, außer weißem Sand, Palmen, glasklares Wasser und Korallen. Sie ist eine Wohltat für alle Sinne! Etwa vier Stunden dürfen wir hier verweilen, dann geht es zurück in das kleine Städtchen Utllia mit seinen bunten Häusern, den Gerüchen aus den Restaurants, dem Gewühle von Menschen und Zweirädern jeglicher Art.
Alle Tiere sind liebenswert
Am Abend entdeckt Berni einen Skorpion an der Wand gegenüber dem Bett. Als Naturliebhaber googelt Berni das Tier: Unser Skorpion könnte giftig sein, denn er hat schmale Scheren. Aber das ist kein eindeutiges Indiz. Wir beschließen Milady über WhatsApp zu kontaktieren, was in diesem Fall zu tun sei. Unser Wirbelwind scheint allerdings zu schlafen. Wir tun es ihr gleich, in der Hoffnung, dass das Tierchen seiner Wege geht.
Am Morgen erscheint eine besorgte Milady. Nicht wegen uns, nein, der Skorpion lebt er noch? Wir gehen davon aus, denn sein Platz ist leer. Sie atmet auf. Wir sind gute Menschen! Milady zeigt auf ihr Grundstück. Überall stehen Bäume und Büsche. Sie müsste aufräumen, aber immer nistet irgendwo ein Vogel. Sie zeigt nach oben. In Zentralamerika wird das Laub üblicherweise zusammengerecht und anschließend verbrannt. Dann führt sie uns zu ihrem eigenen Hauseingang. Dort befindet sich ein winziges Nest. Vorsichtig dürfen wir uns nähern. Eine Kolibrimama sitzt auf zwei Eiern! Milady strahlt. Es ist das zweite Mal in diesem Jahr!
Die Künstlerin Milady
Wir sind ebenso begeistert wie sie. Berni zeigt ihr seine Tukán- und Papageienbilder auf seinem Handy. Daraufhin lädt sie uns ein, einen Blick in ihr Atelier zu werfen. Milady malt farbenfrohe karibische Bilder und fertigt Schmuck aus Naturmaterialien an. Ich nehme an, dass sie die Kunstwerke an Souvenir Shops und Gallerien verkauft.
Seit ihr Mann vor zehn Jahren verstorben ist, managt sie die Ferienwohnungen, das Grundstück und ihr Leben alleine. Dabei hat sie sich einen ganz eigenen Blick auf die Welt bewahrt.
Wir sagten „Adiós“ beim Abschied. Milady verbesserte uns: „Hasta luego! (Auf Wiedersehen). Vielleicht kommt ihr wieder! Und dann passt ihr auf die Tiere auf, während ich nach Deutschland fliege!“. Ein schöner Gedanke.